Man könnte es „Operation Eichhörnchen“ nennen: Um den Strafzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) zu entgehen, bunkern deutsche Kreditinstitute jede Menge Bargeld. Nach Angaben der Bundesbank sind allein in den vergangenen zwei Jahren zehn Milliarden Euro in Banktresoren gelandet. Und glaubt man Carl-Ludwig Thiele, dem für Bargeld zuständigen Vorstandsmitglied der Bundesbank, wird „diese Entwicklung weitergehen“.
Eine zwiespältige Strategie: Zwar schützen sich die Banken so vor Strafzinsen. Gleichzeitig aber erhöhen sie ihre Kosten an anderer Stelle, schließlich müssen die tonnenschweren Bargeldbestände transportiert, gelagert und versichert werden. Schon jetzt beziffern Experten die Kosten im deutschen Bankensektor rund um die Bargeldversorgung auf knapp 4,5 Milliarden Euro. Die teure Bargeldhortung kommt da nun oben drauf und gibt einer Grundsatzdebatte neuen Zunder, die seit Monaten unter Ökonomen, aber auch in Politik, Notenbanken und Finanzwelt tobt: Wäre es nicht sinnvoll, den Bargeldverkehr einzuschränken oder abzuschaffen, weil ein bargeldloses Zahlungssystem nun mal die billigste Lösung ist?
Italien schafft kleine Münzen ab
In Dänemark und Schweden etwa ist das Bargeld schon auf dem Rückzug. Bezahlt wird dort vor allem online, per Smartphone oder Kreditkarte. Und zumindest im Kleinen hat das Ende des Bargelds auch anderenorts begonnen. Ab Januar will Italien eine monetäre Kulturrevolution starten – und keine Ein- und Zwei-Cent-Münzen mehr prägen. Das Kleingeld aus Kupfer und Eisen, von dem in Europa 58 Milliarden Stück in Umlauf sind, ist nämlich ein Minusgeschäft. Das Prägen einer Ein-Cent-Münze kostet 1,65 Cent. Schon vor vier Jahren klagte der damalige EU-Kommissar Olli Rehn, die Euro-Staaten hätten bereits 1,4 Milliarden Euro draufgezahlt, weil sie an den Minimünzen festhalten. Länder wie Finnland, Irland, Belgien und die Niederlande wollen daher mit den Münzen schon lange nichts mehr zu tun haben und lassen an den Ladenkassen auf Fünf-Cent-Beträge auf- oder abrunden. Nun schafft zum ersten Mal ein großes Land der Währungsunion die lästigen Einer und Zweier mit Verweis auf ihre Unwirtschaftlichkeit ab.
Bargeld: Was eine Million Euro in großen Scheinen wiegt
Bargeld dient auch dem Horten von Vermögen. Mit welchen internationalen Banknoten die Wertaufbewahrung in bar besonders "leicht" fällt.
Singapur-Dollar (SGD)
Banknote: 10.000 SGD / 1000 SGD
Wert: 6564 Euro / 656 Euro
Ungefähres Gewicht pro Schein: 1,6 g / 1,4 g
Gewicht von 1 Mio. Euro: 0,2 kg / 1,8 kg
Ausgabe eingestellt*: 2014 / -
*Umlaufende Scheine bleiben weiterhin gesetzliches Zahlungsmittel.
Stichtag für Wechselkurse: 30. September 2016
Quellen: EZB, nationale Zentralbanken, Deutsche Bank Research
Schweizer Franken (CHF)
Banknote: 1000 CHF
Wert: 919 Euro
Ungefähres Gewicht: 1,3 g
Gewicht von 1 Mio. Euro: 1,4 kg
Stichtag für Wechselkurse: 30. September 2016
Kanadischer Dollar (CAD)
Banknote: 1000 CAD
Wert: 681 Euro
Ungefähres Gewicht: 1,1 g
Gewicht von 1 Mio. Euro: 1,5 kg
Ausgabe eingestellt*: 2000
*Umlaufende Scheine bleiben weiterhin gesetzliches Zahlungsmittel.
Stichtag für Wechselkurse: 30. September 2016
Euro (EUR)
Banknote: 500 Euro / 200 Euro
Wert: 500 Euro / 200 Euro
Ungefähres Gewicht: 1,1 g / 1,1 g
Gewicht von 1 Mio. Euro: 2,2 kg / 5,4 kg
Ausgabe wird eingestellt*: Ende 2018 / -
*Umlaufende Scheine bleiben weiterhin gesetzliches Zahlungsmittel.
Stichtag für Wechselkurse: 30. September 2016
US-Dollar (USD)
Banknote: 100 USD
Wert: 90 Euro
Ungefähres Gewicht: 1,0 g
Gewicht von 1 Mio. Euro: 11,0 g
Stichtag für Wechselkurse: 30. September 2016
Die Grundsatzfrage lautet daher: Was sollte uns unser Geld wert sein? Scheine und Münzen erreichen die Verbraucher nur dank einer ausgeklügelten Logistik, und die hat ihren Preis. Nach Angaben der EZB liegen die jährlichen Kosten der Geldversorgung bei rund einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung, also rund 140 Milliarden Euro. Für Deutschland errechnete das Research Center for Financial Services der Steinbeis-Hochschule Berlin, dass die Kosten des Privatsektors durch die aufwendige Logistik 12,5 Milliarden Euro im Jahr betragen – das macht immerhin 150 Euro pro Kopf. Die reinen Produktionskosten des gesamten Bargeldes sind dabei mit 72 Millionen Euro im Jahr vergleichsweise gering, Gleiches gilt für das Recycling ausrangierter Scheine (174 Millionen Euro).
So bezahlen wir in Zukunft
Aus Effizienzgründen haben sich die Euro-Staaten das Gelddrucken aufgeteilt. Die Bundesbank etwa lässt in diesem Jahr 50-Euro-Scheine, Hunderter und Zweihunderter drucken. Fünf Euro-Scheine werden von Irland und Griechenland in Auftrag gegeben, 20-Euro-Scheine von Frankreich, Italien und Portugal. Die Herstellungskosten einer Euro-Banknote lagen in den vergangenen Jahren im Durchschnitt bei rund acht Cent. Das klingt nicht nach viel – zumal eine Note im Schnitt 144 Mal den Besitzer wechselt und 131 Mal zum Einkaufen verwendet wird. Es kommen allerdings hohe Kosten für Bürokratie und Logistik hinzu: Das EU-Vergaberecht zwingt die nationalen Notenbanken, die Herstellung in Europa auszuschreiben. Das führt etwa dazu, dass die Bundesbank in der Vergangenheit nicht in Frankfurt, sondern bei Oberthur Fiduciaire in Frankreich hat drucken lassen.