
Wenn Benzin, Autos und Politiker aufeinandertreffen, ist die Gefahr groß, dass es zur populistischen Explosion kommt. Wobei man in diesem Fall präzisieren muss: Es geht mal nicht um das historisch teure Superbenzin oder den vermeintlichen Öko-Sprit E10; diesmal tobt die Aufregung um den in Deutschland so beliebten Diesel. Das Knallpotenzial ist trotzdem gefährlich hoch.
Die BILD-Zeitung brüllte vorsorglich schon gestern: Diesel soll 22 Cent teurer werden! Der Preisvorteil an der Tankstelle, bisher zugkräftiges Argument für den Absatz von Diesel-Autos, wäre dahin. Wäre, könnte, wenn – denn dass es nach der deutlichen Ablehnung im EU-Parlament heute so kommt, ist sehr unwahrscheinlich. Aber um derlei Fein- oder gar Sinnhaftigheiten ging es in der Debatte nicht. Nicht in Zeiten des Sparens, drohender Inflation und real existierender Tankstellenwut. Aber der Reihe nach.
Dass Diesel in Deutschland billiger ist als normaler Kraftstoff (im Schnitt rund 20 Cent je Liter), ist kein Naturgesetz, sondern politischer Wille: der Steuersatz ist deutlich geringer (auf Benzin entfallen derzeit rund 65 Cent/Liter, auf Diesel 47). Das hat eine lange Tradition: Vor allem Lkw mit Dieselaggregat, also die Logistik- und Transportwirtschaft, aber auch die Landwirtschaft, sollen durch diese De-facto-Subventionierung mittels niedrigerer Abgabenlast zumindest weniger stark durch den Fiskus belastet werden. Die Motoren sind aber auch für Pkw in den vergangenen Jahren immer effizienter und ruhiger geworden - die Mischung aus günstigeren Literpreisen und geringerem Verbrauch im Vergleich zum Benziner gibt deshalb für viele Autokäufer den Ausschlag. Fast jedes zweite Auto hierzulande ist mittlerweile ein Diesel. Soweit die Fakten.





Heute stimmte das EU-Parlament über die Richtlinie der EU-Kommission ab, in der es um eine Neuordnung der Energiesteuer geht. Kern des Vorhabens: Kraftstoffe sollen zukünftig danach besteuert werden, wie hoch der Energiegehalt ist und wie viel CO2 sie verursachen. Da die Energiedichte von Diesel höher ist als die von Normalbenzin, soll die Steuerbelastung für Diesel folglich höher sein – und nicht niedriger. Ab 2023 – also nach einer zehnjährigen Übergangsfrist – müsste gemäß den EU-Plänen Diesel etwa 15 bis 17 Prozent höher versteuert werden.
Was in der Bundesregierung und der Autoindustrie derzeit niemand gerne hört: Eine solche Gesetzgebung läge vollkommen auf Linie mit den EU-weiten Klimaschutzzielen. Aber was soll es, wenn der Populismus lockt?
Die Panikmache funktioniert ohnehin nur, wenn die Benzinbesteuerung unverändert bliebe. Dass Ziel einer klimalogischen Besteuerung von Benzin und Diesel ließe sich ja nicht nur per Diesel-Schraube nach oben erreichen, sondern auch, wenn der Steuersatz für Benzin gesenkt würde. Oder sich beide annähern würden. Der EU-Plan sieht jedenfalls nur Diesel-Mindestsätze von 41 Cent vor – da liegt die Bundesrepublik schon jetzt darüber.
Zugegeben: Diese Szenarien sind politisch extrem unwahrscheinlich. Aber die Drohkulisse der Diesel-Preisexplosion ist es auch. Denn die Ablehnung der EU-Parlamentarier war kaum mehr als Symbolpolitik. Entscheiden muss der Ministerrat – und zwar einstimmig. Berlin hat dort längst sein Veto angekündigt, Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hat das heute noch einmal bekräftigt.
Und nicht nur das: Die Bundesregierung verteilte in den vergangenen Monaten zur Untermauerung ihrer Position sogar Positionspapiere – aus der Feder des mächtigen Automobilverbandes VDA. Der fürchtete darin wortreich um die Marktchancen der deutschen Diesel-Technologie.
Man braucht keine Glaskugel für das, was kommen wird: Viel Abgas um nichts.