Krisenprogramm der Notenbank EZB will Tempo ihrer Anleihenkäufe neujustieren

EZB in der Dämmerung. Quelle: dpa

Die Käufe im Rahmen von „PEPP“, dem Pandemie-Notfallankaufprogramm, werden wohl abnehmen. Das sieht zumindest der Plan einiger Notenbanken vor. Auf der kommenden Zinssitzung wird das für Diskussionen sorgen.

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Auf der EZB-Zinssitzung kommenden Donnerstag wird sich Experten zufolge alles um die billionenschweren Krisen-Anleihenkäufe der Euro-Notenbank drehen. Die Käufe im Rahmen des „PEPP“ getauften Programms sind eines der Hauptinstrumente, um die ökonomischen Folgen der Virus-Krise einzudämmen. „Das September-Treffen wird die Zeit für die Debatte darüber sein, was die angemessene Geschwindigkeit für die Käufe im letzten Quartal des Jahres sein wird“, meinen Jan von Gerich und Tuuli Koivu vom skandinavischen Bankhaus Nordea. An den Leitzinsen dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) dagegen nicht rütteln. Der Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent.

Im Vorfeld haben sich manche Währungshüter schon positioniert. So argumentierten Österreichs Notenbank-Gouverneur Robert Holzmann und der Notenbankchef der Niederlande, Klaas Knot, für eine Verringerung der PEPP-Käufe. Frankreichs Top-Währungshüter, Francois Villeroy de Galhau, merkte an, dass sich die Finanzierungsbedingungen im Euro-Raum inzwischen verbessert hätten. Dies solle bei der Diskussion berücksichtigt werden. Im Juli erwarben die Euro-Wächter im Rahmen von PEPP Staatsanleihen, Firmenanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von 88 Milliarden Euro.

„Wir erwarten, dass sich die EZB von einem 'deutlich höheren Tempo' bei den PEPP-Käufen hinbewegt zu flexiblen Käufen im vierten Quartal“, meinen Chiara Zangarelli, George Buckley und Jordan Rochester vom japanischen Bankhaus Nomura. Ihre Prognose: Die Notenbank wird die Käufe im Schlussquartal auf im Schnitt etwa 16 bis 17 Milliarden Euro pro Woche von zuletzt rund 20 Milliarden Euro pro Woche reduzieren. Ökonom Greg Fuzesi von der US-Bank J.P. Morgan rechnet mit einer Verringerung der Käufe auf pro Monat rund 60 Milliarden von zuletzt rund 80 Milliarden Euro. Nicht alle Experten teilen aber diese Einschätzung. So geht die US-Bank Morgan Stanley davon aus, dass die EZB ihr aktuelles Kauftempo zunächst beibehalten wird.

In die geldpolitische Debatte kommende Woche dürfte einfließen, dass die Erholung der Wirtschaft im Euro-Raum trotz Delta-Variante und Lieferengpässen in der Industrie bislang ungebrochen ist. Laut EZB-Vize Luis de Guindos erholt sich die Konjunktur im Euro-Raum sogar schneller von der Corona-Krise als bisher gedacht. Die jüngsten Daten seien sehr positiv, sagte er unlängst einer spanischen Online-Zeitung.

Die Inflation in der 19-Länder-Gemeinschaft ist im Zuge der Erholung sogar auf 3,0 Prozent geklettert - das ist der höchste Wert seit rund zehn Jahren und deutlich über dem EZB-Ziel von zwei Prozent. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnte deshalb davor, das Risiko einer zu hohen Inflation nicht auszublenden. Andere Ratsmitglieder, wie Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras, sehen in dem Inflationsschub dagegen keinen Anlass, die Einschätzung zu hinterfragen, der Anstieg werde nur vorübergehend sein, wie er in einem Agentur-Interview sagte.

Experten gehen davon aus, dass sich die kräftige Erholung in jedem Fall in den neuen Inflations- und Konjunkturprognosen der EZB-Volkswirte widerspiegeln wird, die zur Zinssitzung erwartet werden. Das Bankhaus Morgan Stanley rechnet mit einer Anhebung der EZB-Wachstumsprognose für dieses Jahr auf 5,0 Prozent von bislang 4,6 Prozent. Bei der Inflationsvorhersage für dieses Jahr erwarten sie eine Erhöhung auf 2,1 von bisher 1,9 Prozent. Die EZB-Prognose für 2022 werde bei 1,6 Prozent liegen.

Die meisten Experten gehen zudem davon aus, dass die EZB am Donnerstag noch nicht über ein künftiges Ende ihrer PEPP-Käufe beraten wird. Die insgesamt auf 1,85 Billionen Euro angelegten Käufe sollen nach den Planungen noch bis mindestens Ende März 2022 fortgesetzt werden. Was danach mit den Käufen und dem älteren Anleihenkaufprogramm APP geschehen soll, ist derzeit noch offen. Laut EZB-Chefvolkswirt Philip Lane stehen diese Fragen im Herbst auf der Tagesordnung.

Mehr zum Thema: Die Zentralbanken bauen gerade ihren Einfluss massiv aus. Sie steuern Börsen und Regierungen, kontrollieren Banken, machen Klimapolitik – und hebeln am Ende die Marktwirtschaft aus. Warum Notenbanken die neue Weltmacht sind.

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