Als der Chef der US-Notenbank Ben Bernanke am Mittwochabend hiesiger das Sitzungsprotokoll für die jüngste Zinssitzung im Juni veröffentlichte, reagierten die Märkte enttäuscht. An der Börse hatten sich die Marktteilnehmer deutlichere Signale für eine weitere Lockerung der Geldpolitik erhofft, weil die US-Konjunktur nicht so recht in Schwung kommen will. Dabei schielten die Beobachter weniger auf eine Leitzinssenkung, als weitere großvolumige Anleihenkäufe durch die Notenbank.
Eine solche Maßnahme stellt die US-Notenbank Federal Reserve, kurz Fed genannt, allerdings nur für den Fall einer weiteren Eintrübung der Konjunktur in Aussicht. „Wir würden sicherlich auch weitere Staatsanleihen-Käufe in Erwägung ziehen, wenn die Wirtschaft einer weiteren Stärkung bedarf“, hatte Notenbankchef Bernanke bereits im Juni erklärt. Der Leitzins bleibt jedenfalls wie schon seit Dezember 2008 bei niedrigen 0,25 Prozent. Vergleichbar handelte auch die Bank of England, die an ihrem seit Februar 2009 gültigen Niedrigzins von 0,5 Prozent auf ihrer jüngsten Sitzung festhielt.
Derweil hat sich die Situation der Europäischen Zentralbank (EZB) zwischenzeitlich wieder verschärft, vorrangig durch die Bankenkrise in Spanien. Sie senkte ihren Leitzins am 5. Juli von 1,00 auf 0,75 Prozent. Es ist der niedrigste Stand seit dem Start der EZB 1998 und bereits die dritte Zinssenkung in der Amtszeit von Notenbankchef Mario Draghi, der im November 2011 die Nachfolge von Jean-Claude Trichet antrat. Der hatte aus Sorge um ein Anziehen der Inflation im Euroraum die Zinsen 2011 zweimal moderat angehoben.
Die Maßnahmen mögen zwar vorübergehend für Entspannung sorgen, die Euro-Schuldenkrise lösen sie indes nicht. Inzwischen werden Stimmen lauter, die die Leitzinssenkungen zur Krisenbekämpfung in den USA und Euro-Zone lediglich für psychologisch wichtig halten. Der Effekt auf die Investitionstätigkeit ist auf dem ohnehin schon niedrigen Niveau eher gering, den kriselnden Banken helfen Aufkäufe kritischer Staatsanleihen eher weiter. „Einen nennenswerten konjunkturellen Effekt wird diese Zinssenkung von ‚nahe Null‘ auf ‚noch näher Null‘ nicht haben“, sagte etwa Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon.
Schweizer Probleme mit der Nullzinspolitik
Die ersten Probleme aufgrund der Nullzinspolitik sind in der Schweiz zu beobachten. Die niedrigen Zinsen sorgen langsam aber sicher für eine Überhitzung am Immobilienmarkt. Davor haben die Notenbanker in ihrem aktuellen Stabilitätsbericht gewarnt. Mittelfristig führe der Preisanstieg im Schweizer Immobiliensektor zu einer generellen Überbewertung von Wohnimmobilien, schrieben die Experten der Schweizer Nationalbank in ihrem Bericht. „Das Risiko einer Preiskorrektur steigt“, hieß es weiter. Allerlei Maßnahmen zur Gegensteuerung werden nun diskutiert. Aber die Schweizer können nun nicht – wie naheliegend - einfach den Leitzins erhöhen, um die Finanzierungskosten für Bauherren zu erhöhen.
Denn seit der Franken im Zuge der Euro-Krise wieder zur beliebten Fluchtwährung geworden ist, kämpft die Notenbank gegen eine weitere Aufwertung der heimischen Währung. Denn dann würde die Exportwirtschaft empfindlich schwächen. Daher verkauft sie seit Monaten Milliarden von Franken, um den Wechselkurs gegenüber dem Euro bei maximal 1,20 Euro je Franken zu halten.
Anders stellt sich die Situation in Japan dar. Bereits seit Oktober 2010 verharrt dort der Leitzins zwischen null und 0,1 Prozent, allgemein wird von einer Nullzins-Politik gesprochen. Grund für die Senkung war damals die schwierige Konjunktur aufgrund des hohen Außenwertes des Yen. Das stark exportorientierte Land wollte durch die Maßnahme die eigene Währung schwächen, zumal sich deflationäre Tendenzen, also sinkende Verbraucherpreise manifestierten. Gegen die Deflation kämpft die Bank of Japan bereits seit 30 Jahren. Zuletzt aber hofften Händler an der Börse in Tokio jedoch offenbar auf eine Zinserhöhung – und reagierten auf die Entscheidung vom Donnerstag, den Leitzins unverändert zu lassen, enttäuscht. Die Aktienkurse gaben daraufhin nach.
Der Grund: Japan erlebt erstmals seit vielen Jahren einen moderaten Aufschwung. Für das laufende Steuerjahr 2012/2013 rechnet Japans Regierung mit einem Wachstum von 2,2 Prozent, im Jahr darauf sollen es noch 1,7 Prozent sein. Aber die Notenbank hält es scheinbar für zu früh, um auf schon wieder auf Geldbremse zu treten.
Erweiterte Spielräume für chinesische Banken
Beim asiatischen Nachbarn China ging es hingegen lange vor allem darum, die Inflation in Schach zu halten und eine Überhitzung der chinesischen Wirtschaft mit ihren traditionell hohen Wachstumsraten zu verhindern. Auch eine Immobilienblase und steigende Inflationsraten beunruhigte die Regierung in Peking. Aber die Konjunktur kühlte sich in den vergangenen Monaten ab – auch bedingt durch die global nachlassende wirtschaftliche Entwicklung
Im zweiten Quartal wuchs die chinesische Volkswirtschaft um 7,6 Prozent. Für die Verhältnisse in dem Riesenreich ist das ein alarmierender Rückgang. Die chinesische Notenbank reagierte zuletzt sehr entschlossen und senkte innerhalb von nur zwei Wochen gleich zweimal den Leitzins. Zuletzt am 5. Juli auf zuletzt 6,0 Prozent. Außerdem erweiterte die Bank of China die Spielräume der Banken bei der Vergabe von Darlehen. „Das zeigt, dass die Sorgen über die globale Wirtschaftsentwicklung gewachsen sind“, sagt Ökonom Mark Williams von Capital Economics in London.
Brasilianisches Luxusproblem
Gegen die Probleme in anderen Ländern hat die Notenbank in Brasilien eher ein Luxusproblem. Gerade haben die Währungshüter den Leitzins für die wachstumsstarke Volkswirtschaft zum achten mal in Folge gesenkt. Jetzt steht er bei 8,0 Prozent. Die starke brasilianische Wirtschaft sorgt derzeit dafür, dass die Inflationsrisiken moderat bleiben. Mit der Zinssenkung will die Banco Central nun einem Rückgang des Wachstums entgegenwirken. Zielmarke sind vier Prozent, zuletzt lautete die Wachstumsprognose auf 2,5 Prozent. Ein Konjunkturprogramm in soll helfen und mit weiteren Zinssenkungen wird also gerechnet. In den 90er Jahren erreichten die Leitzinsen zeitweise ein Niveau von 45 Prozent. Den Brasilianern geht es also richtig gut.