Leitwährung Euro? Was der Dollar hat, das dem Euro fehlt

Die EU will den Euro stärker in der Weltwirtschaft verankern. Aber es fehlt an wichtigen Voraussetzungen. Quelle: imago images

Die EU-Kommission will den Euro international stärker verankern. Doch dass der Euro langfristig den Dollar als Leit- und Reservewährung ablösen kann, ist wenig wahrscheinlich. Für eine Weltwährung braucht es mehr.

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Es ist ein ehrgeiziges politisches Ziel: Die EU-Kommission will die internationale Rolle des Euro stärken, sodass er am Ende vielleicht sogar den US-Dollar als weltweite Leitwährung ablösen könnte.

Das Thema ist vor allem nach der Durchsetzung der Trump'schen Sanktionspolitik mittels der Vormachtstellung des Dollar im Welthandel und im Zahlungsverkehr wieder auf die Agenda gekommen. Der Widerspruch zu den Interessen anderer großer Handelsnationen und den Interessen von im Außenhandel tätigen Nicht-US-Unternehmen ist evident, seit „der Westen“ nicht mehr mit einer Zunge spricht. Hinzu kommt, dass Donald Trumps zuletzt gezeigte Rhetorik gegenüber der Zinspolitik der amerikanischen Notenbank Fed sowie sein Missbrauch der Währung für politische Zwecke dem Dollar tatsächlich langfristig schaden können. Ein „window of opportunity“, also für große politische Entwürfe.

Doch befinden wir uns hier überhaupt noch auf dem Feld der Politik? Haben nicht vielmehr die Märkte längst entschieden? Fakt ist, dass noch Ende vergangenen Jahres 63 Prozent aller weltweiten Devisenreserven auf Dollar lauteten – auf Euro lediglich 20 Prozent. Bei Fremdwährungsanleihen ist das Verhältnis ähnlich: 62 Prozent in Dollar, 23 Prozent in Euro. Und selbst bei den Warenimporten in die Währungsunion wird nur etwa die Hälfte in Euro abgerechnet; in den USA sind es in Dollar mehr als 90 Prozent der Einfuhren. Besonders deutlich ist das Missverhältnis bei Rohstoffen: Etwa 80 Prozent aller europäischen Energieimporte werden in Dollar fakturiert, obwohl nur zwei Prozent aus den USA stammen.

An dieser Stelle anzusetzen, ist sicher ein richtiges Element im Vorschlag der EU-Kommission. Die Umstellung von Rohstofflieferverträgen kann die Verhältnisse tatsächlich verschieben. Mit 39,9 Prozent hat der US-Dollar im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr (ohne Intra-Euroraum-Transaktionen) zwar laut EZB-Bericht noch den größten Anteil, mit 35,7 Prozent ist ihm der Euro aber dicht auf den Fersen. Alle anderen Währungen rangieren unter „ferner liefen“.

Dollar-Dominanz aus guten Gründen

Doch es gibt tiefer liegende Gründe für die Dominanz der US-Währung. Erst einmal war sie – ganz formal – im Bretton-Woods-System von 1944 als Weltleitwährung definiert. Zweitens gibt es einen logischen Zusammenhang zwischen dem Welthandel und den Devisenreserven, denn ihr Zweck ist es, den Außenhandel der jeweiligen Volkswirtschaft zu unterstützen. Der Reservestatus einer Währung ist also Folge ihres Status im Welthandel, nicht umgekehrt. Und schließlich ist es rein ökonomisch schlicht effizient, sich auf eine Weltleitwährung zu einigen – ähnlich wie es effizient ist, sich innerhalb einer Volkswirtschaft auf ein einziges Zahlungsmittel zu verständigen. Solange also ein anderes – etwa multipolares – Weltwährungssystem weniger effizient ist, haben Abweichler vom Dollar-zentrierten System Effizienzverluste hinzunehmen. So ist es mehr als fraglich, ob ein multipolares Währungssystem in einer zwar immer weiter integrierten, aber dennoch regional unterschiedlich gewichteten Weltwirtschaft überhaupt effizient sein könnte.

Notwendige Bedingung einer Weltwährung ist das Vertrauen. Hier werden die Schwächen des Euro am deutlichsten sichtbar. Wie während der annähernd zehn Jahre dauernden Griechenland-Krise, kommen nun – ausgelöst durch die Weigerung der italienischen Regierung, sich an die Regeln des Stabilitätspakts zu halten – wieder Zweifel an eben jener Stabilität des Euro auf. Auch was die Tiefe des Euro-Marktes – und damit seine Liquidität – angeht, sind Fortschritte kaum erkennbar. Initiativen wie die Vollendung der Bankenunion und der Kapitalmarktunion führen zwar in die richtige Richtung. Doch die Angst der starken EU-Länder, dass damit quasi durch die Hintertür der Weg in die Transferunion geöffnet wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Und solange diese Gefahr nicht wirksam gebannt wird, wird es auch keine Fortschritte in Richtung mehr Integration geben. Damit rücken zum Beispiel gemeinsame europäische Anleihen, die es in der Kapazität mit dem amerikanischen Kapitalmarkt aufnehmen könnten, in weite Ferne.

Noch wichtiger: Wie soll die Währung Europas an Bedeutung gewinnen, wenn ihre Wirtschaft nicht wächst? Nicht nur in Italien, auch in Frankreich und Deutschland fehlen entschlossene Reformen, die die Wettbewerbsfähigkeit wieder stärken. Von der unmittelbaren Schwächung durch den bevorstehenden Austritt der zweitgrößten Volkswirtschaft Europas aus der Europäischen Union gar nicht zu reden.

Bleibt noch ein viertes Element, das eine Weltleitwährung ausmacht: Die dahinter stehende politische Macht, der Wille, sie auch auszuüben und dafür Verantwortung zu tragen. Hier hier zeigt sich der wohl deutlichste Unterschied zwischen Europa und den USA. Hätte Europa überhaupt die politischen Institutionen, die sich einer solchen Verantwortung stellen würden? Wäre ein Europa, wie es sich derzeit präsentiert, überhaupt willens, die „Nebeneffekte“ zu tragen, wenn seine Währung den Status einer Weltleitwährung hätte? So würde etwa eine hierdurch herbeigeführte größere Nachfrage nach Euro zu seiner Aufwertung führen. Für exportorientierte Volkswirtschaften wie die deutsche eine echte Herausforderung. Und das – am Anfang der Debatte stehende – Problem mit den Iran-Sanktionen wäre noch nicht einmal gelöst. Denn die USA drohen seit einiger Zeit, Unternehmen und Individuen in Drittländern, die sich nicht an US-Sanktionen halten, ebenfalls mit Sanktionen zu belegen – sozusagen Sekundär-Sanktionen, die auch unabhängig von der Wahl der Handelswährung wirksam sind.

Wir sehen also: Leitwährungen reflektieren Machtverhältnisse, nicht umgekehrt. Verschiebungen in den Kräfteverhältnissen und den Größenordnungen sind zwar möglich – aber nur auf lange Sicht, und wenn die geschilderten Voraussetzungen erfüllt sind. Dann werden die Märkte folgen.

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