Ludwig von Mises Der unbeugsame Visionär

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Disput mit Milton Friedman

Milton Friedman Quelle: AP

1934 folgte der eingefleischte Junggeselle, der bis dahin bei seiner Mutter in Wien gewohnt hatte, dem Ruf als Professor an die Universität Genf, wo er 1938 die Schauspielerin Margit Sereny-Herzfeld heiratete. Wegen des Vordringens des Nationalsozialismus entschlossen sich beide, 1940 nach New York überzusiedeln. 1945 erhielt Mises eine Gastprofessur an der New York University, die er bis 1969 innehatte.

1949 veröffentlichte er sein monumentales Werk „Human Action – A Treatise on Economics“. Darin fasst er die Lehren der Österreichischen Schule zusammen und entwickelt eine Theorie der Logik menschlichen Handelns, die er „Praxeologie“ nannte. Beeinflusst von den Lehren Immanuel Kants, definiert Mises die Ökonomie als logisch-deduktive Wissenschaft, die aus a priori bekannten Wahrheiten und logischem Denken ihre Erkenntnisse gewinnt. Diese bedürfen Mises zufolge keiner empirischen Überprüfung mehr.

Damit wandte er sich methodologisch gegen den Positivismus, wie ihn Milton Friedman vertrat. Friedman forderte, aus der ökonomischen Theorie Hypothesen abzuleiten und diese empirisch zu überprüfen. Mises dagegen betrachtete die Empirie eher als das Sammeln von vergangenheitsbezogenen Daten, die sich allenfalls zur Geschichtsschreibung eigneten. Statt zu rechnen, sollten die Ökonomen lieber denken, um Erkenntnisse zu gewinnen. In diesem Zusammenhang lehnte Mises die Anwendung der Mathematik in der ökonomischen Forschung als eine „vollkommen teuflische Methode ab, die von falschen Annahmen ausgeht und zu fehlerhaften Schlussfolgerungen führt“. Darauf entgegnete Friedman, wenn alle Ökonomen Praxeologen wären, ließen sich ökonomische Fragen nur im Faustkampf lösen.

Eigentum, Freiheit und Frieden

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Ökonomie dem empiristischen Postulat Friedmans gefolgt und hat sich den Naturwissenschaften angenähert. Allerdings haben das Scheitern der mathematischen Modelle neoklassischer und neukeynesianischer Provenienz bei der Erklärung der Finanzkrise und das wachsende Unbehagen darüber, dass sich die Ökonomie zunehmend zum Sammelbecken für gescheiterte Mathematiker entwickelt, das Interesse an den Forschungsansätzen der Österreichischen Schule steigen lassen.

Nach Mises’ Tod 1973 hat dessen Schüler Murray Rothbard die Österreichische Schule auf die Spitze getrieben. Er entwickelte einen naturrechtlich begründeten Liberalismus, der sogar staatliche Institutionen ablehnt. Das 1982 gegründete Ludwig-von-Mises-Institut in Auburn im US-Bundesstaat Alabama steht in der Tradition der Rothbard’schen Interpretation des Werkes von Mises. Das politische Pendant zu Rothbards radikal-libertärem Anarchokapitalismus ist in den USA die Tea-Party-Bewegung.

Ob Mises Rothbard gefolgt wäre, mag dahingestellt bleiben. Für Mises hatte „Liberalismus mit Anarchismus nicht das Geringste zu tun“. Doch hat auch er die „Aufgaben, die die liberale Lehre dem Staat zuweist“, mit dem Schutz des Eigentums, der Freiheit und des Friedens eng definiert.

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