Doch dann stieß Mises auf die Werke von Carl Menger (1840–1921), dem Gründer der Österreichischen Schule. Menger stand mit der Historischen Schule auf Kriegsfuß. Er vertrat die Auffassung, dass es sehr wohl ökonomische Gesetzmäßigkeiten gibt, die sich durch logisch-deduktive Überlegungen herleiten lassen. Statt des Kollektivs stellte Menger den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt. Das menschliche Handeln sah er auf die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse ausgerichtet. Seiner subjektivistischen Sichtweise entsprechend, leitete er den Wert eines Gutes aus dem Nutzen ab, den eine zusätzliche Einheit dem Käufer liefert. Menger wurde zum geistigen Vater der Grenznutzenlehre und Auslöser der marginalistischen Revolution.
Literatur von und über Ludwig von Mises
In seinem ersten großen Werk wandte Mises die Grenznutzenlehre Mengers auf die Geldtheorie an und gab dieser so eine mikroökonomische Fundierung. Er zeigte, dass Geld seinen Ursprung in einer Handelsware hat. Die 1953 veröffentlichte englische Ausgabe von „The Theory of Money and Credit“ ergänzte Mises um ein Kapitel, in dem er den Übergang zum freien Marktgeld empfahl.
Mises Generalabrechnung mit der Planwirtschaft erschien Anfang der Zwanzigerjahre in einem politischen Klima, das von der Faszination vieler Intellektueller von der bolschewistischen Revolution in Russland geprägt war. Mises argumentiert, dass der Sozialismus scheitern muss, weil die Preise von staatlichen Instanzen gesetzt werden und nicht die tatsächlichen Knappheiten widerspiegeln. Viele junge Ökonomen korrigierten nach der Lektüre des Werkes ihre positive Einstellung gegenüber dem Sozialismus.
Für viele Mises-Anhänger ist dieses Werk die Krönung seines Schaffens. Mises fasst darin die Lehren der Österreichischen Schule systematisch zusammen und entwickelt eine umfassende Theorie des menschlichen Handelns. Methodologisch definiert er die Ökonomie als eine logisch-deduktive Wissenschaft und grenzt sie von den Naturwissenschaften ab. Damit bricht er mit dem empiristisch orientierten ökonomischen Mainstream.
Die von dem deutschen Ökonomen Jörg Guido Hülsmann verfasste Mises-Biografie ist das umfassendste und beste Werk über Leben und Arbeit Mises. Das mehr als 1000 Seiten dicke Buch, das über das Ludwig von Mises Institute zu beziehen ist, bietet eine Fülle von Informationen, die die Einordnung der Lehren Mises’ in den historischen Kontext und die Ideengeschichte erleichtern.
Das vom Ludwig von Mises Institute veröffentlichte Buch bietet einen gut lesbaren Überblick über Leben und Werk der bedeutendsten Ökonomen der Österreichischen Schule in Form von 15 Porträts.
Fasziniert von Mengers Lehren besuchte Mises das Seminar von Eugen von Böhm-Bawerk, einem Schüler Mengers. Böhm-Bawerk entwickelte Mengers subjektivistischen Ansatz weiter, indem er den Faktor Zeit in das menschliche Handeln einfügte. Er argumentierte, dass Menschen ihre Ziele lieber heute als morgen erreichen. Diese Präferenz für das Hier und Jetzt gilt auch für den Konsum. Deshalb verlangen die Menschen Zinsen, wenn sie auf heutigen Konsum verzichten und Ersparnisse bilden. Je höher die Vorliebe für Gegenwartskonsum, desto höher der Zins. Dieser lässt sich als Zeitpräferenzrate interpretieren.
Geld als Gut
Nach seiner Promotion 1906 arbeitete Mises einige Jahre als Rechtsanwalt in einer Wiener Sozietät, bevor er 1909 bei der Handelskammer Wien anheuerte. Dort arbeitete er für die folgenden 25 Jahre. Neben seiner Arbeit besuchte er weiter das Seminar von Böhm-Bawerk und arbeitete an seiner Habilitationsschrift, die er 1912 unter dem Titel „Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel“ veröffentlichte. Es wurde ein Meilenstein der Geldtheorie.
Mises verband darin die klassische Geldtheorie mit der Grenznutzenlehre Mengers und gab ihr so eine mikroökonomische Fundierung. Dabei behandelte er Geld als ein Gut wie jedes andere. Sein Preis wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt, wobei der Preis in seiner Kaufkraft besteht. Da die Nachfrage nach Geld ihrerseits durch dessen Kaufkraft bestimmt wird, entsteht eine wechselseitige Kausalität (Österreichischer Zirkel), für die es keine logische Lösung zu geben schien.
In seinem Regressionstheorem bot Mises einen Ausweg, indem er auf der Zeitschiene argumentierte. Er zeigte, dass sich die Nachfrage nach Geld heute durch dessen Kaufkraft am Vortag erklären lässt. Die Kaufkraft wiederum erklärte sich durch Angebot und Nachfrage, wobei Letztere von der Kaufkraft des Geldes am Vorvortag abhing, und so weiter. Dieser Regress auf die Vergangenheit endet an dem Tag, an dem das Geld am Vortag noch eine Handelsware in einer Gesellschaft mit Tauschwirtschaft gewesen war. Für Mises geht daher der „älteste Geldwert auf den Warenwert des Geldstoffes zurück“. Geld ist also historisch in einem freien Marktprozess aus einem physisch-werthaltigen Gut entstanden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ungedecktes Papiergeld eine marktwidrige Entwicklung darstellt, die darauf zurückzuführen ist, dass der Staat sich im Laufe der Zeit das Monopol an der Geldproduktion verschafft hat. Auf Dauer, so argwöhnte Mises, könne ein solches Geldsystem nicht bestehen – sondern nur ein Edelmetallstandard.