Machtkampf um US-Notenbank Kürt US-Präsident Biden eine geldpolitische Taube zur Chefin der Fed?

Könnte Lael Brainard auf Jerome Powell an der Spitze der Federal Reserve folgen? Quelle: imago images, Reuters

Muss Jerome Powell als US-Notenbankchef gehen, weil er einst von Trump ernannt wurde? In Kürze will Präsident Biden über die Personalie entscheiden - und könnte trotz hoher Inflation eine geldpolitische Taube ins wichtigste Amt des globalen Finanzsystems hieven.

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Die wichtigste geldpolitische Personalentscheidung von Joe Biden steht anscheinend unmittelbar bevor. „Wie mein Großvater sagen würde: Mit Gottes Segen und dem guten Willen der Nachbarn werden Sie in etwa vier Tagen etwas darüber erfahren“, so der US-Präsident am Dienstag auf die Frage, ob er bereits eine Entscheidung über den Chefposten der amerikanischen Notenbank Fed gefällt habe. Eine Nominierung noch vor dem Feiertag Thanksgiving in der kommenden Woche dürfte eine Bestätigung seines Kandidaten oder seiner Kandidatin durch den Senat in den kommenden Wochen ermöglichen. Die Zeit drängt. Im Februar endet die reguläre Amtszeit des derzeitigen Amtsinhabers Jerome Powell.

In normalen Zeiten müsste sich Powell um seine berufliche Zukunft keine Sorgen machen. Die meisten Notenbankchefs der jüngeren Vergangenheit wurden für mindestens zwei Amtszeiten nominiert – eine lange anhaltende Serie, die erst unter Donald Trump riss. Er ersetzte die heutige Finanzministerin Janet Yellen, die erste Frau auf dem Chefposten, nach nur vier Jahren im Amt durch Powell. Nun könnte Yellens Nachfolger das gleiche Schicksal ereilen.

Denn Teile von Bidens Partei halten nicht viel von Powell. Er sei „ein gefährlicher Mann“, schleuderte ihm die demokratische Senatorin Elizabeth Warren während einer Anhörung im September entgegen. Warren, vor ihrer Zeit in der aktiven Politik Harvard-Professorin und Expertin für das Finanzsystem, warf Powell vor, er habe die Regulierungen das Bankensektors aufgeweicht und so das Risiko eines erneuten Crashs erhöht. Sie werde daran arbeiten, seine erneute Nominierung zu stoppen, drohte Warren.

Die meisten Notenbankchefs der jüngeren Vergangenheit wurden für mindestens zwei Amtszeiten nominiert – eine lange anhaltende Serie, die erst unter Donald Trump riss. Quelle: imago images

Es ist eine Drohung, die durchaus Gewicht hat. Zwar dürfte Powell im Falle einer weiteren Amtszeit ausreichende Unterstützung unter den 100 Senatorinnen und Senatoren finden, um im Amt zu bleiben. Aber ob sich Biden für den Republikaner Powell mit einer wichtigen Stimme des progressiven Flügels seiner Partei anlegen will, ist eine andere Frage. Bislang ist der Präsident in finanzpolitischen Personalfragen noch nie auf den Widerstand Warrens getroffen. Ein Zustand, den das Weiße Haus gerne beibehalten würde.

Zumal es aus Bidens Sicht eine hervorragende Alternative zu Powell gibt: Lael Brainard. Die in Hamburg geborene Diplomatentochter kann auf einen makellosen Lebenslauf verweisen. Wirtschaftsstudium inklusive Doktortitel in Harvard, Wirtschaftsberaterin im Weißen Haus von Bill Clinton, Staatssekretärin im Finanzministerium unter Barack Obama. Seit 2014 sitzt sie im Leitungsgremium der Fed – als einzige Demokratin.

Nicht nur wegen ihrer Parteizugehörigkeit gilt Brainard eher als geldpolitische Taube. Sie erwarte, dass die Inflation zurückgehe, „wenn sich die Covid-Disruptionen auflösen“, so die Ökonomin noch vor wenigen Wochen. Höhere Zinsen dürfte es mit ihr auf dem Chefinnensessel nicht so schnell geben. Darin, allerdings, unterscheidet sie sich kaum von Powell, der ebenfalls keine Anstalten macht, den Leitzins kurzfristig anzuheben, um die Geldentwertung zu stoppen. Dies sei eine zu große Gefahr für die amerikanische Wirtschaft insgesamt, glauben beide. Allerdings gilt die Ökonomin, anders als Jurist Powell, als Verfechterin einer schärferen Finanzmarktregulierung.

Dass sich Brainard aus Bidens Sicht für Höheres empfiehlt, ist keine Überraschung. Sie galt bereits als mögliche Kandidatin für den Posten der Finanzministerin – das Amt, das schließlich Ex-Fed-Chefin Yellen übernahm. Ein Gespräch zwischen dem Präsidenten und der Ökonomin Anfang November sei besser verlaufen als erwartet, berichtet das „Wall Street Journal“. Auch Powell traf sich bereits mit dem Präsidenten. In Bidens Beraterkreis soll es eine Präferenz für den Amtsinhaber geben. Auch Yellen betonte zuletzt öffentlich, Powell mache einen „guten Job“.

Sollte sich Biden dennoch für Brainard entscheiden, wird er im Senat Überzeugungsarbeit leisten müssen. Einige Demokraten, etwa John Tester aus Montana, haben sich bereits offen für Powell ausgesprochen. Und dass die Kandidatin große Unterstützung von den Republikanern bekommen wird, ist eher unwahrscheinlich. Sherrod Brown, der Vorsitzende des zuständigen Bankenausschusses, betonte zuletzt dennoch, dass beide möglichen Kandidaten für das Amt bestätigt werden würden. „Da bin ich absolut sicher“, sagte er. „Sie sind beide eindeutig qualifiziert.“

Doch zu sicher kann sich Biden nicht sein. Rob Portman etwa, einer von nur vier Republikanern, die Brainard für ihren derzeitigen Posten im Gouverneursrat der Fed bestätigten, warnte den Präsidenten bereits vor einer Nominierung der Ökonomin. Er habe Biden geraten, Powell erneut zu nominieren. „Er ist die bessere Wahl“.

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Für Powell entbehrt diese Situation nicht einer gewissen Komik. Schließlich bräuchte er über eine zweite Amtszeit gar nicht erst nachdenken, wenn Trump noch im Amt wäre – der Präsident, der ihm den Posten ursprünglich verschafft hatte. Trump hatte Powell mehrfach öffentlich kritisiert, sogar eine Entlassung des Fed-Chairs ins Spiel gebracht. Nun könnte ausgerechnet sein Nachfolger ihn im Amt belassen. Wie Bidens Großvater sagen würde: Mit Gottes Segen und dem guten Willen der Nachbarn.

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