Keiner weiß so genau, wie es um die Banken der Euro-Zone steht, wie Mario Draghi. Vor diesem Hintergrund schockieren die jüngsten Beschlüsse des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie zielen darauf ab, unter dem Deckmantel der Geldpolitik einige wenige Institute zu retten. Scheinbar stehen diese Geldhäuser kurz vor dem Kollaps.
Im Kampf gegen den Abschwung sind die Notenbanker hingegen hilflos. Mit der Wirtschaft wird es weiter abwärts gehen, und Draghi kann kaum etwas dagegen ausrichten. Die Leitzinssenkung von 1,25 auf 1,0 Prozent soll zwar die Konjunktur stimulieren. Doch bringen wird sie nichts. Aufgrund der zukünftig höheren Eigenkapitalvorschriften verschlanken die Banken derzeit ihre Bilanzen. Sie werfen ihre Vermögenswerte auf den Markt und bauen ihr Kreditgeschäft
ab. Ein niedriger Zins wird das nicht ändern.
Exotische Mittel
Doch Draghi drehte noch an einer anderen, höchst ungewöhnlichen Schraube: dem Mindestreservesatz für Banken, also den Teil der Kundeneinlagen, den die Institute direkt bei der EZB hinterlegen müssen. Der Mindestreservesatz beträgt seit Beginn der Euro-Zone zwei Prozent und ist quasi in Stein gemeißelt.
Vereinzelt hatten Ökonomen sich mit dem exotischen Vorschlag hervorgewagt, in bestimmten Ländern der Euro-Zone die Quote zu erhöhen, um dort die großzügige Kreditvergabe zu drosseln. Eine Senkung war nie in der Diskussion. Dass die EZB sich gezwungen sieht, den Reservesatz von zwei auf ein Prozent zu halbieren, signalisiert die große Not der Zentralbank.
Selbst die geldpolitischen Weichspüler von der US-amerikanischen Federal Reserve haben eine Quote von zehn Prozent und diese in der Krise nicht angetastet. Hinzu kommt: Für die meisten Banken ändert das nichts, sie lagern ihr Geld ohnehin lieber bei der Zentralbank, statt es zu verleihen. Den übrigen aber scheint es so schlecht zu gehen, dass sie es nicht mehr schaffen, zwei Prozent ihrer Einlagen bei der Zentralbank vorzuhalten. Ein dramatisches Signal.
Anforderungen gelockert
Wie schlimm es um einige Banken steht, zeigt auch, dass diese sich künftig für drei Jahre frisches Geld in unbegrenzter Höhe von der Notenbank leihen dürfen. Bislang waren solche Geschäfte auf ein Jahr begrenzt, was schon außergewöhnlich lang ist. Zudem lockerte Draghi die Anforderungen für notenbankfähige Sicherheiten.
Denn obgleich die EZB selbst „den alten Büstenhalter der Großmutter als Sicherheit akzeptiert“, wie es einst ein hochrangiger Notenbanker überspitzt formulierte, haben manche Institute Probleme, an Zentralbankgeld zu kommen. Das Öffnen der Geldschleusen wird daher bestimmten Instituten das Leben retten. Das Problem dabei ist: Draghi hat nun sein Pulver verschossen. Viel mehr, als den Zins auf null herunterzusetzen, bleibt ihm nicht mehr im Kampf gegen die Krise, und auch dieser Schritt gilt als wenig aussichtsreich. Sollte es also zu einer weiteren Eskalation kommen, steht Draghi ohne Munition da. Das ist das Schlimmste, was einer Notenbank passieren kann.