Michael Burda "Es sind peinliche Dinge in unserer Zunft passiert"

Der Vorsitzende des Vereins für Socialpolitik verteidigt den neuen Ethikkodex für Ökonomen. Es soll ein Leitbild für die Forscher sein - und ein Zeichen gegen interessengeleitete Forschung.

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Michael Burda Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Professor Burda, die Mitglieder des Vereins für Socialpolitik haben mit Zweidrittelmehrheit einen neuen Ethikkodex für Ökonomen beschlossen. Was wollen Sie damit erreichen?

Michael Burda: Als eine der weltweit größten Standesorganisationen für Ökonomen können wir vor dem Reputationsverlust unserer Zunft nicht die Augen verschließen. Der neue Kodex sieht vor, dass Ökonomen in ihren Arbeiten alle Sachverhalte auflisten müssen, die potenziell zu Interessenkonflikten oder Befangenheit führen könnten. Ein ganz wichtiger Satz lautet: "Das Ergebnis der Analyse soll von der Interessenlage des Auftraggebers unbeeinflusst sein.“

Mit Verlaub: Das klingt naiv.

Wieso? Damit schaffen wir eine soziale Norm und ein Leitbild für unsere Arbeit. Wir wissen, dass es in der Vergangenheit gravierende Verstöße gegen Transparenz und wissenschaftliche Unabhängigkeit gab. Da sind streckenweise peinliche Dinge passiert.

Sie meinen den Fall des US-Ökonomen Frederic Mishkin, der vor der Finanzkrise in einer Studie den Finanzplatz Island lobte – und dafür 124 000 Dollar von der isländischen Handelskammer erhielt.

Wenn ein Wissenschaftler schlampig und nicht ergebnisoffen für Geld arbeitet, ist das unethisch, weil es gegen die Prinzipien von Objektivität und Unabhängigkeit verstößt. Wichtig ist Transparenz: Dass etwa der US-Ökonom Martin Feldstein im Aufsichtsrat des Konzerns AIG sitzt, sollte man wissen, wenn man seine – oft brillanten – wissenschaftlichen Arbeiten liest.

Wie groß darf die Nähe der Wissenschaft zur Wirtschaft sein? Ist es gut, wenn Ökonomen in Konzernen einen Aufsichtsratssitz übernehmen?

Das ist nicht verwerflich. Viele Ökonomen sind hoch spezialisiert; Unternehmen und die gesamte Volkswirtschaft können von ihrer Expertise profitieren. Vorhandenes Wissen nicht wirtschaftlich zu nutzen wäre Verschwendung von Humankapital! Nur muss der Wissenschaftler seine Funktion im Unternehmen offen kommunizieren. Gleiches gilt für Studien, die von Unternehmen oder Parteien bezahlt werden. Die Öffentlichkeit sollte wissen, von wem und wofür ein Ökonom Geld bekommt, damit der Vorwurf einer interessengeleiteten Forschung gar nicht erst entsteht.

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