Neuer Wirtschaftsindikator Was uns die Maut über die Konjunktur verrät

Seismograf der Volkswirtschaft: Lkw-Schlange auf einer Autobahn bei Duisburg Quelle: dpa

Wie entwickelt sich die Wirtschaft? Ökonomen haben da die unterschiedlichsten Prognoseansätze. Das Statistische Bundesamt setzt nun auf einen Indikator, der schneller sein soll als die anderen.

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In langen Kolonnen ziehen sie auf dem rechten Fahrstreifen durchs Land, und abends finden sie kein Ruheplätzchen mehr, weil die Rastplätze überfüllt sind. Was für Trucker auf deutschen Autobahnen Alltag ist, signalisiert Ökonomen: Die Wirtschaft brummt. Denn bevor ein Produkt beim Kunden ankommt, hat es etliche Kilometer hinter sich, von Zulieferern über den Hersteller zum Händler. Je mehr Lkw auf den Straßen, desto größer der Warenumlauf.

Auf diese Weise gibt der Lkw-Verkehr Hinweise auf die Wirtschaftsleistung – und er lässt sich zur Freude von Ökonomen hervorragend messen. Denn die Maut erfasst inzwischen alle Wegstrecken von Lkw ab 7,5 Tonnen auf Autobahnen und Bundesstraßen, sie ist gewissermaßen ein Seismograf der Volkswirtschaft. Anfang des Jahres hat das Statistische Bundesamt daher einen „Lkw-Maut-Fahrleistungsindex“ in seine monatliche Konjunkturanalyse aufgenommen.

Der Indikator hat den bewährten Konjunktur-Kennzahlen vor allem eines voraus: seine Geschwindigkeit. So vergehen beispielsweise 38 Tage, bis das Statistische Bundesamt vorläufige Zahlen zur Industrieproduktion veröffentlicht. Hierzu werten die Statistiker Wert und produzierte Menge von mehr als 6000 industriellen Erzeugnissen aus. Fleißarbeit leisten auch Forschungseinrichtungen wie das ifo Institut, das für seinen Geschäftsklimaindex Monat für Monat rund 9000 Unternehmen ihre Geschäftslage und -aussichten bewerten lässt.

Die Daten für den Maut-Index liegen hingegen praktisch auf der Straße – beziehungsweise werden von dort aus den Führerhäusern per Satellit an die Betreiber und weiter an das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) übermittelt. Das BAG stellt den Wiesbadener Kollegen von der Abteilung Statistik die Daten zu den zurückgelegten Strecken im Mautgebiet zur Verfügung. Seit die Abgabe auch für kleinere Lkw und seit Mitte 2018 auf sämtlichen Bundesstraßen gilt, kommen Mautdaten von 53.000 Straßenkilometern zusammen.

Aufgrund der zügigen und automatisierten Datenübermittlung veröffentlicht das Statistische Bundesamt rund zehn Tage nach Monatsende die aktuellen Werte. „Die Ergebnisse“, so die Statistiker, „sind damit wesentlich früher verfügbar als die etablierten amtlichen Statistiken zur wirtschaftlichen Aktivität.“

Aber taugen sie auch als verlässlicher Konjunkturindikator? Die Experten vom Statistischen Bundesamt haben das näher untersucht und ermittelten einen klaren Zusammenhang zwischen Maut-Index und der Produktionsleistung. Allerdings ist dieser schwächer, wenn saisonale Effekte unberücksichtigt bleiben, also etwa der regelmäßige Rückgang der Produktion im Dezember und die Frühjahrsbelebung. Die Statistiker sprechen in einem Begleitartikel daher vorsichtig von einer „groben Annäherung an Produktions- und Handelstätigkeiten“.

Präziser als die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung scheint der Maut-Index langfristige Konjunkturzyklen abzubilden. So signalisierten Produktion wie Lkw-Fahrleistung zeitgleich Einbruch und Erholung in Folge von Wirtschafts- und Eurokrise (siehe Grafik). Die Wiesbadener Konjunkturforscher untersuchen nun, ob sie mithilfe der Mautdaten künftig frühzeitig den traditionellen Produktionsindex berechnen können.

Unterdessen mehren sich die Stimmen nach mehr Lkw-Parkraum. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) schätzt, dass Stellplätze in fünfstelliger Höhe fehlen. Hält der Aufschwung an, dürften es noch mehr werden.

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