Nobelpreisträger Alvin Roth "Märkte gestalten heißt nicht Märkte abschaffen"

Ökonomie-Nobelpreisträger Alvin Roth über unkonventionelle Märkte, die Leistung der deutschen Volkswirtschaftslehre – und die Auktion holländischer Tulpen.

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Blumen-Großmarkt: Tulpen-Auktion in Aalsmeer, Niederlande Quelle: imago images

WirtschaftsWoche: Herr Professor, den Wirtschaftsnobelpreis 2012 haben Sie – so die Begründung der Jury – für die „Theorie stabiler Allokationen und die Praxis des Marktdesigns“ bekommen. Können Sie uns erklären, was das eigentlich bedeutet?

Alvin Roth: Wir können als Wissenschaftler die Funktionsweise von Märkten und das Verhalten der Menschen auf diesen Märkten analysieren – vom Finanz- und Immobilienmarkt bis hin zum Markt für Studienplätze und dem Wochenmarkt um die Ecke. Wir können aber darüber hinaus überlegen, wie man solche Märkte so verändert, dass die Marktteilnehmer mehr davon haben. Das ist Marktdesign.

Ist das ein Bruch mit der klassischen Ökonomie, die Märkte als gegeben hinnimmt und von vornherein weiß, wie der Homo oeconomicus als Anbieter, Kunde oder Geldanleger agiert?

Alvin Roth im Rahmen der Lit.Cologne in Köln Quelle: dpa

Das muss kein Bruch sein. Ich habe mich vor allem mit Märkten beschäftigt, bei denen Geldzahlungen keine entscheidende Rolle spielen: dem Markt für Organtransplantationen, dem Markt für Assistenzarztstellen an Krankenhäusern oder für Plätze in öffentlichen Schulen ...

Zur Person

... und Sie haben Verfahren für das sogenannte Matching entwickelt, die Zuteilung von Gütern an konkurrierende Bewerber. Geht das nicht in Richtung Planwirtschaft?

Nein. Märkte gestalten heißt nicht Märkte abschaffen! Es geht darum, dass Märkte gut funktionieren. Das hat meistens mit staatlicher Lenkung nichts zu tun. Bei der Organtransplantation zum Beispiel sind die Krankenhäuser die Organisatoren, beim Arbeitsmarkt die Gesamtheit der Unternehmen. Um ein Marktdesign zu entwickeln, brauchen wir natürlich spezielle Instrumente. Das sind die Spieltheorie, die aus der Mathematik kommt, und die experimentelle Wirtschaftsforschung, bei der wir das Verhalten von Menschen in Entscheidungssituationen unter Laborbedingungen untersuchen. Natürlich funktioniert solche Forschung nur im Kontakt mit Nachbarwissenschaften. Aber es geht immer um ökonomische Fragen.

Die Organisation von Spendenzentralen für Nierentransplantation oder die Vergabestellen von Ausbildungsplätzen haben Sie bereits erforscht. Gibt es weitere Märkte, die Sie mit Ihrer Methode untersuchen wollen?

Ich muss das nicht mehr selbst machen. Ich habe viele großartige junge Mitarbeiter und Schüler, und die haben sehr wohl noch eine Menge zu tun.

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