Weltweit, aber vor allem in Europa wird das Wirtschaftswachstum deutlich schwächer, warnt die Organisation für Ökonomische Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem aktuellen Ausblick. Ihre Prognose für die deutsche Wirtschaft hat die OECD wegen der globalen Konjunkturschwäche mehr als halbiert. Das Bruttoinlandsprodukt werde in diesem Jahr lediglich um 0,7 Prozent zulegen und damit halb so stark wie 2018, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Ausblick. Bislang war sie von 1,6 Prozent ausgegangen, während die Bundesregierung 1,0 Prozent erwartet. Im kommenden Jahr könnten es laut der OECD 1,1 Prozent werden. Zuvor hatte sie 1,4 Prozent prognostiziert.
Für Italien sagt die Organisation ein Rezessionsjahr 2019 voraus. Das Bruttoinlandsprodukt werde um 0,2 Prozent schrumpfen, 2020 wieder leicht um 0,5 Prozent wachsen. Für Frankreich werden in beiden Jahren 1,3 Prozent vorausgesagt. Deutlich zurückgenommen wurde auch die Prognose für Großbritannien, das noch in diesem Monat aus der EU austreten will. Für das laufende Jahr wurde die Prognose von 1,4 auf 0,8 Prozent gesenkt, für 2020 von 1,1 auf 0,9 Prozent.
Wesentlich besser dürfte es in der weltgrößten Volkswirtschaft USA laufen. Hier rechnet die OECD mit einem Wachstum von 2,6 Prozent, dem 2020 ein Plus von 2,2 Prozent folgen soll. „Solide Arbeitsmarktergebnisse und günstige finanzielle Bedingungen stützen weiterhin die Einkommen und Ausgaben der Haushalte“, erklärte die OECD. „Aber höhere Zölle haben begonnen, die Unternehmenskosten und -preise zu erhöhen.“ Das Wachstum von Investitionen und Exporten habe sich bereits abgeschwächt. Für China sagen die Experten eine schrittweise Abkühlung voraus, für 2020 noch sechs Prozent Wachstum.
Die Schaubilder, mit denen OECD-Chefökonom Laurence Boone seinen Ausblick illustriert, zeigen in der Mehrheit abfallende Kurvenlinien. Besonders deutlich abwärts zeigen die für das BIP-Wachstum in der Eurozone – nur noch 1,2 Prozent im vierten Quartal 2018 im Vergleich zum Vorjahresquartal – und die für das Exportvolumen innerhalb der Eurozone und von dieser in Drittländer – beide wuchsen im Dezember überhaupt nicht mehr. Auch die Absicht der Unternehmen, Personal einzustellen, nimmt sowohl in den USA als auch in der Eurozone wieder ab, vor allem aber in Großbritannien.
Besondere Sorgen macht der OECD nicht nur die Eurozone, sondern auch das sich andeutende Schwächeln Chinas und die generelle Verletzlichkeit der Finanzmärkte. Die OECD warnt vor den hypothetischen Auswirkungen eines Nachfragerückgangs von zwei Prozent jährlich in China auf dessen Handelspartner. Für die Weltwirtschaft bedeutete dies, so die OECD, allein im ersten Jahr dieses Rückgangs Wachstumseinbußen von 0,4 bis 0,5 Prozentpunkten. Besonders betroffen wären dabei Japan und andere ostasiatische Volkswirtschaften, aber auch Deutschland mit möglicherweise mehr als 0,3 Prozentpunkten.
„Eine lange Periode sehr niedriger Zinsen seit der Finanzkrise hat eine Anhäufung finanzieller Verletzbarkeiten zur Folge“, heißt es in der OECD-Veröffentlichung. Da die öffentliche und private Verschuldung allgemein sehr hoch, die Bewertungen von Anlagevermögen in einigen Märkten überzogen sei und die Märkte offenbar mit anhaltend niedrigen Zinsen rechneten, bestehe das Risiko schneller Marktbereinigungen bei unerwarteten Ereignissen.
Ein solches Ereignis könnte der unerwartet scharfe Rückgang des Wachstums der Weltwirtschaft sein. Dies würde, so die OECD, „die Schwierigkeiten substantiell vergrößern, hohe Schuldenlasten zu bedienen, selbst wenn die Leitzinsen länger als ursprünglich erwartet niedrig blieben.“ Das gelte vor allem für den Weltmarkt der Unternehmensanleihen. Der Schuldenstand war hier 2018 mit rund 13 Billionen Dollar doppelt so hoch wie 2008, während die Qualität der Anleihen abgenommen habe. Vor allem in China und anderen Schwellenländern wird, so die OECD, in den kommenden drei Jahren ein großer Teil der Unternehmensanleihen fällig.
Die anhaltende Zurückhaltung der Zentralbanken die Leitzinsen anzuheben heißt die OECD gut. Nur in den relativ wachstumsstarken USA, in Kanada und Australien, sei es ratsam, die Geldpolitik wieder schrittweise zu straffen.
Traditionell hält sich die OECD nicht mit politischem Rat an die Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten zurück. Wenig überraschend ist ihre Empfehlung an die Regierungen: International zusammenarbeiten, um Risiken zu verringern. Verstärkter multilateraler Dialog sei notwendig, um das Abgleiten in Protektionismus aufzuhalten und das globale regelbasierte Handelssystem zu stärken. Außerdem sei eine strengere Überwachung von Nichtbanken im Finanzsektor ratsam und Vorsichtsmaßnahmen gegenüber stark fremdfinanzierten Kreditnehmern, um das Entstehen finanzieller Schadenspotenziale zu bremsen.