Öffentliche Aufträge für Europäer Dieser Mann legt sich mit China an

Daniel Caspary (45) steht seit 2017 an der Spitze der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Quelle: imago images

Europäische Unternehmen haben bisher keinen Erfolg bei öffentlichen Ausschreibungen in China. Der Europa-Abgeordnete Daniel Caspary (CDU) setzt auf eine harte Linie, um die Regierung in Peking zum Einlenken zu zwingen.

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Daniel Caspary (45) steht seit 2017 an der Spitze der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament. Der Vater von fünf Kindern hat technische Volkswirtschaftslehre studiert und gehört dem Europäischen Parlament seit 2004 an.

Seit bald einem Jahrzehnt ringt die EU um einen besseren Zugang zum Markt für öffentliche Ausschreibungen in China. 2012 stellte die EU-Kommission das International Procurement Instrument (IPI) vor, ein Mechanismus, der dafür sorgen soll, dass Wettbewerbsgleichheit herrscht zwischen europäischen und chinesischen Anbietern herrscht. Doch viele EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Deutschland, sperrten sich gegen den Mechanismus, auch aus Angst vor chinesischer Gegenwehr. Spätestens seit Abschluss des EU-China Investitionsabkommens hat sich die politische Stimmung gewandelt. Das Europäische Parlament, das schon länger auf einen härteren Kurs setzt, will China zur Marktöffnung drängen. Am Mittwoch wird der zuständige Berichterstatter Daniel Caspary seine Vorstellungen im Handelsausschuss in Brüssel präsentieren.

WirtschaftsWoche: Herr Caspary, haben sich die Chinesen bei Ihnen schon gemeldet, weil sie den Markt für öffentliche Ausschreibungen in China öffnen wollen?
Daniel Caspary: Nö. Die Chinesen können gerne anrufen. Meine Botschaft wird sein, habt keine Angst. Wir wollen nichts Protektionistisches machen. Aber wir erwarten, dass unsere Anbieter bei Euch dieselben Möglichkeiten haben wie ihr bei uns.

Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich zu dem Thema im Juni positioniert. Wie optimistisch sind Sie, dass die Ihnen in Ihrem strikteren Kurs folgen werden?
Die Mitgliedsstaaten haben sich im Rat auf eine gemeinsame Position geeinigt und sind dabei auf das, was wir als Europäisches Parlament bereits vor acht und fünf Jahren gefordert haben, nur begrenzt eingegangen. Ich gehe mit meinem Vorschlag im Kern nun auf manches von damals zurück.

Sie wollen etwa, dass die EU-Kommission einen chinesischen Anbieter ausschließen kann, wenn er mit seinem Angebot die europäische Konkurrenz gnadenlos unterbietet.
Wir brauchen ein einfaches und wirksames Instrument. Es kann nicht sein, dass Mitgliedsstaaten ohne Rücksprache mit der EU-Kommission Ausnahmen definieren können, wann sie Angebote annehmen können. Dann wird der Prozess willkürlich.

Die EU-Mitgliedsstaaten haben einen Preisanpassungsmechanismus vorgeschlagen. Ist ein chinesisches Angebot zu billig, soll bis zu 40 Prozent des Preises draufgeschlagen werden, damit die europäische Konkurrenz im Spiel bleibt. Kann das funktionieren?
Ich tue mich sehr schwer mit dem Preisanpassungsmechanismus und bin gespannt, wie die Kollegen im Ausschuss reagieren werden. Ich halte den Mechanismus im Grundsatz für falsch. Wir sollten Anbieter Zulassen oder Ausschließen und nicht an Preisen drehen. Es gibt konkrete Beispiele, etwa eine Brücke in Kroatien oder einen U-Bahntunnel in Schweden, die zeigen, dass uns im Zweifel auch ein Aufschlag von 40 Prozent nicht weiter hilft. Es gibt manchmal gravierende Preisunterschiede von über 100 Prozent.

Müssen sich EU-Mitgliedsstaaten künftig auf höhere Baukosten einstellen?
Die Logik ist schief: Wenn in einem Vergabeverfahren drei Angebote vorliegen, darunter zwei künstliche verbilligte aus China und ein den üblichen Marktpreisen entsprechendes Angebot aus einem EU-Mitgliedstaat, ist das Bauen dann generell teuer oder ist das nur eine verzerrte Wahrnehmung, die mit der Marktrealität nichts zu tun hat? Auch wenn künstlich kleingerechnete Angebote ausgeschlossen werden, werden in der Regel qualitativ hochwertige und preislich darstellbare Angebote vorliegen. Notfalls kann die KOM eine Ausnahme genehmigen.

Wird es für Ihre Vorschläge eine Mehrheit geben unter den Mitgliedsstaaten?
Ich arbeite zunächst an einer Mehrheit im Europäischen Parlament. Ich bin optimistisch, dass ich die schaffen werde.

Wie sieht Ihr Zeitplan aus?
Mit gutem Willen kann das Plenum im Dezember, Januar das in erster Lesung verabschieden. Wir können im Januar in Verhandlung gehen und dann gerne auch schnell abschließen. Die Franzosen, die im Januar 2022 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, scheinen großes Interesse an dem Thema zu haben.

Und Berlin?
Auch dort spüre ich eine gewisse Flexibilität, nachdem das Thema im EU-China-Investitionsabkommen nicht geregelt wurde. Wenn ein Partner wie die Chinesen signalisiert, dass er darüber nicht reden will, dann ergibt es doch Sinn, weiter zu gehen.

Und was hören Sie aus der Wirtschaft?
Das sehe ich sehr entspannt. Am Ende geht hier vor allem um eine politische Frage. Es gibt betroffene Firmen, die von Aufträgen in China träumen und diejenigen, die schon vor Ort sind und von China Druck bekommen haben und deswegen kritisch sind. Bei Gesetzgebung sollte man sich weniger von solchen Rückmeldungen leiten lassen als von der Sachpolitik.

Welche Branchen hoffen denn am stärksten auf öffentliche Aufträge aus China?
Das müssen wir sehen. Bisher hatten die Chinesen Zustände wie im Schlaraffenland, weil China weitgehend abgeschottet war und Europa weitgehend offen für China. Die Chinesen haben es sich zehn Jahre lang gut gehen lassen. Jetzt ist unsere Botschaft: Milch und Honig fließen weiter, aber wir erwarten, dass auch in China Milch und Honig für uns Europäer fließen.

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Sie würden in Kauf nehmen, dass künftig weniger deutsche Autos in China verkauft werden?
Ich nehme in Kauf, dass die Chinesen sich mit uns an einen Tisch setzen um ihren Markt für öffentliches Beschaffungswesen zu diskutieren. Wir haben ja nicht vor, die Chinesen zu ärgern, sondern die Chinesen ärgern seit Jahren uns. Es geht nicht um ein Instrument, die Chinesen auszuschließen, sondern es geht darum, die Chinesen zu einer Marktöffnung zu bringen.

Mehr zum Thema: Wie China Deutschlands Maschinenbauern den Rang abläuft.

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