Ökonom Jörg Krämer „Deutschland droht eine Blase am Immobilienmarkt“

Jörg Krämer: Dem deutschen Immobilienmarkt droht eine Blase Quelle: imago images

Der Internationale Währungsfonds warnt vor Gefahren für das Weltfinanzsystem – ignoriert aber das eigentliche Problem, beklagt Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer: die falsche Geldpolitik, vor allem der EZB.

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Nachdem der IWF erst die Erwartungen für das Wachstum der Weltwirtschaft dämpfte, warnt er nun in einem neuen Bericht vor den Gefahren für die globale Finanzstabilität. Steht es um die tatsächlich so schlecht?
Zunächst: In diesem Bericht des IWF geht es um Szenarien für bestimmte Risiken, die in einer sehr technischen Art und Weise beschrieben werden. Vor lauter intelligenten Tabellen fehlt mir da der klare Blick auf die eigentlichen Themen. Schauen wir mal naheliegender Weise auf den Euroraum seit der Lehman-Krise vor über zehn Jahren. Positiv ist, dass das Eigenkapital der Banken im Euroraum deutlich höher ist als damals. Auch einige regulatorische Dinge haben sich gebessert.

Das stellt der IWF auch fest.
Aber ich lese da so gut wie nichts über die Konsequenzen, die die Geldpolitik der Zentralbanken aus der damaligen Krise gezogen hat. Die geldpolitische Strategie ist noch dieselbe wie vor der Krise. Die hatte eine Menge zu tun mit der Geldpolitik der Inflationssteuerung. Also mit dem Glauben der Zentralbanken, dass die Geldpolitik die Inflation auf Sicht von zwei bis drei Jahren steuern kann und das auch tun muss. Aber dieser Glaube ist eben nur bedingt begründet, weil die Inflation seit vielen Jahren durch globale Faktoren gedämpft wird, auf die Zentralbanken keinen Einfluss haben. So kämpft die Europäische Zentralbank mit ihrer extrem lockeren Geldpolitik gegen eine unvermeidlich niedrige Inflation an. Damit leistet sie dem Entstehen neuer Spekulationsblasen ungewollt Vorschub.

Sehen Sie denn bereits solche Blasen?
Ich sehe zumindest das reale Risiko, dass sich in Deutschland in ein paar Jahren eine Blase am Immobilienmarkt entwickelt, deren Platzen gesamtwirtschaftlich katastrophale Auswirkungen hätte.

Jörg Krämer ist seit 2006 Chefvolkswirt der Commerzbank. Quelle: REUTERS

Die US-Notenbank Fed hat die Leitzinsen deutlich angehoben. Man erwartet, das weitere Schritte folgen. Die EZB hat bislang nichts getan, bleibt bei Nullzinsen. Was bedeutet diese Diskrepanz für das Weltfinanzsystem?
Die Fed bewegt sich in die richtige Richtung. Die EZB nicht. Wenn man sich im IWF-Bericht die Tabelle über die Schulden der Unternehmen außerhalb des Finanzsektors anschaut, sieht man, dass sie erst vor einiger Zeit aus dem roten Bereich rausgekommen sind. Da hat anders als in den USA offensichtlich noch keine richtige Reparatur der Bilanzen stattgefunden. Das hat viel mit der EZB zu tun. Die ist faktisch eingespannt in die Staatsfinanzierung und behindert damit die Bilanzbereinigung im Privatsektor, die nur sehr schleppend vorankommt. Amerika ist deutlich weiter, was die richtige Reaktion der Geldpolitik auf die Krise anbelangt.

Ich sehe bei der EZB keinen echten Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik. Die EZB wird unter juristischem Druck die Anleihekäufe gegen Jahresende einstellen. Aber sie wird noch lange, so hat sie versprochen, fällig werdende Anleihen reinvestieren. Und sie hat verkündet, dass sie die Zinsen nicht vor Mitte nächsten Jahres anhebt. Der IWF-Bericht warnt vor allen möglichen Gefahren, aber er adressiert nicht konsequent die dafür Verantwortlichen und scheut klare politische Schlussfolgerungen.

Was wären denn die Implikationen für die EZB und die europäische Politik?
Erstens ein Wechsel in der geldpolitischen Strategie. Also weg von der Inflationssteuerung, die in Zeiten einer globalisierten Inflation nur noch bedingt machbar und sinnvoll ist, hin zu einer Geldpolitik der umfassenden Stabilisierung. Die EZB sollte sich nicht nur um Preisstabilität, sondern auch um Finanzstabilität kümmern, also helfen, neue Blasen zu verhindern. Diese Risiken bestehen, wie die engen Spreads und die gedehnten Bewertungen im Euroraum zeigen. Für die EZB würde dies bedeuten: Nicht nur Anleihekäufe beenden, sondern auch die Wiederanlage fälliger Anleihen zurückfahren, und vor allem eine Strategie höherer Leitzinsen entwickeln. Das fehlt alles.

Und zweitens?
Der Euroraum hat noch keine Mechanismen entwickelt, die hohe Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen. Das unverantwortliche Verhalten der italienischen Regierung ist nur dadurch zu erklären, dass sie sich darauf verlässt, im Falle der Fälle von der EZB rausgepaukt zu werden. Wir haben eine EU-Kommission, die den Staaten durchgehen lässt, dass sie sich nicht an die Stabilitätskriterien halten. Das sind die fundamentalen Probleme. Und davon ist im IWF-Bericht kaum etwas zu finden.

Der IWF warnt vor den Gefahren durch das gestiegene Zinsniveau in den USA und den hohen Schuldenstand gerade in vielen Schwellenländern. Sehen Sie da auch ein Risiko?
Da muss man differenzieren. In China ist die private Verschuldung massiv gestiegen. Aber ich glaube nicht, dass sich das in einer Krise entlädt.

Warum nicht?
Weil die Regierung dort faktisch Zugriff auf die Ersparnisse ihrer Bürger hat. Aber es gibt andere problematische Schwellenländer, nicht zuletzt die Türkei, deren Lira nicht zufällig so schwach ist. Wo es eine hohe und zudem oft kurzfristige Auslandsverschuldung gibt und nur geringe Deckung durch ausländische Direktinvestitionen. Anders als bei der Asienkrise vor 20 Jahren ist diesmal nicht die Staats- sondern die Privatverschuldung in einigen Schwellenländern extrem gestiegen. Und dann kommt eben noch der Gegenwind durch die gestiegenen Leitzinsen in den USA.

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