
Herr Bachmann, Herr Feld, Herr Freytag, Herr Haucap, in der Ökonomenzunft tobt ein Richtungsstreit über den Umgang mit der Euro-Krise. Wie hilfreich war der jüngst von Kollegen initiierte Aufruf, der drastisch vor den Risiken einer Bankenunion warnt?
Feld: Als Wissenschaftler darf man einen solchen Aufruf nicht derart emotional schreiben. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Entscheidungsträger im Finanzministerium und im Kanzleramt an die Decke gegangen sind. Dieser Aufruf hat die Reputation der Ökonomen in der Politik erheblich beschädigt.
Freytag: Das sehe ich völlig anders. Vorschläge und Studien aus der Wissenschaft werden von der Politik meist komplett ignoriert, womit ich nicht die fehlende Umsetzung, sondern die ausdrückliche Nichtwahrnehmung meine. Da ist den Initiatoren offenbar der Kragen geplatzt. Der emotionale Ton des Papiers mag störend sein, aber in der Sache ist dieser Aufruf verdienstvoll. Er hat eine wichtige Debatte, die zuvor in Hinterzimmern geführt wurde, in die Öffentlichkeit getragen...
Feld: ...Sie wollen doch nicht ernsthaft behaupten, die Euro-Krise wäre in der Öffentlichkeit nicht schon vorher diskutiert worden. Das Thema ist in den Medien omnipräsent.
Freytag: Es war aber für eine allgemeine Debatte zu sperrig. Die Debatte fand auch nicht zwischen Politik und Bevölkerung statt. Die Regierung wird bald merken, dass sie von dem Ökonomenaufruf und den Reaktionen darauf profitiert. Das Papier unterstützt im Kern Angela Merkels Position, eine gemeinschaftliche Haftung in Europa zu verhindern und mit dem Geld der Steuerzahler sorgsam umzugehen. Schauen Sie sich die Beiträge in den ökonomischen Internet-Foren an, da gibt es viel Zustimmung aus der Bevölkerung. Im Übrigen gehört es nicht zu den Kernaufgaben von Ökonomen, bei Politikern beliebt zu sein.
Die Ökonomen
Justus Haucap, 43, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Düsseldorf und hat dort das Institute for Competition Economics (DICE) aufgebaut, einen Thinktank für Wettbewerbstheorie. Er ist Mitglied der Monopolkommission (bis vor Kurzem als deren Vorsitzender) sowie Mitherausgeber der Zeitschrift „Wirtschaft und Wettbewerb“; hinzu kommt die Mitgliedschaft im Editorial Board von fünf weiteren wissenschaftlichen Fachzeitschriften.
Lars Feld, 45, ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und seit 2011 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Der gebürtige Saarländer leitet zudem das Freiburger Walter Eucken Institut, das sich als „Kompetenzzentrum in ordnungspolitischer und ordnungsökonomischer Grundlagenforschung“ versteht – und dessen Ehrenpräsident einst Friedrich August von Hayek war.
Andreas Freytag, 49, hat eine klassische ordnungspolitische Schule durchlaufen: Er promovierte in Köln bei Juergen Donges; von 1995 bis 2002 war er Geschäftsführer des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Uni Köln. Seit 2003 lehrt er Wirtschaftspolitik an der Universität Jena. Freytag ist Unterzeichner des Ökonomenaufrufs „Rettet die Wirtschaftspolitik an den Universitäten!“ von 2009, in dem 83 Professoren vor überbordender Realitätsferne in der VWL warnten.
Rüdiger Bachmann, 37, ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen. Der Makroökonom forschte zehn Jahre in den USA, bevor er 2011 nach Deutschland zurückkehrte. 2009 war er Mit-Initiator des Aufrufes „Baut die deutsche VWL nach internationalen Standards um“, in dem 188 Volkswirte eine stärkere Fokussierung auf Empirie und Ökonometrie forderten. Beim Roundtable war Bachmann von einem Ökonomenkongress in Boston zugeschaltet.
Feld: Mag sein, aber mit diesem Aufruf wird der Bogen überspannt. Hier machen Ökonomen Politik auf eine Weise, die keinen Anspruch auf wissenschaftliche Autorität hat.
Vielleicht war die Resonanz so groß, weil hier erstmals Ökonomen die Interessen des Steuerzahlers artikuliert haben.
Feld: Vorsicht! Wenn die Euro Zone auseinanderbricht, ist das nicht im Sinne des Steuerzahlers – angesichts von deutschen Auslandsforderungen gegenüber den anderen Euro-Staaten von über drei Billionen Euro.
Bachmann: Aber sollten wir uns nicht über jeden meinungsfreudigen Ökonomen freuen, dessen Wort in der öffentlichen Debatte Gewicht hat? In den USA gibt es dafür den Begriff der „Public Intellectuals“, das sind Wissenschaftler wie Paul Krugman, Joseph Stieglitz, Greg Mankiw und Martin Feldstein. Von diesen Leuten brauchen wir in Deutschland viel mehr.