Ökonomen debattieren "Die Risiken des Euro glasklar vorhergesagt"

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Forschen und Beraten

Würden Sie jungen Menschen empfehlen, VWL zu studieren, wenn sie keine ausgeprägte Stärke für Mathematik haben?

Haucap: Man muss nicht Profi-Mathematiker sein, aber es sollte ein fundamentales Verständnis für mathematische Zusammenhänge da sein, um an den Debatten teilnehmen und die Literatur rezipieren zu können. Zugleich sind gute Englischkenntnisse nötig, um Literatur aus erster Hand lesen zu können. Wer keine Zahlen mag und einen Widerwillen gegen englische Texte verspürt, sollte lieber ein anderes Fach studieren.

Ökonomen sollen forschen, aber auch die Politik beraten. Kann man als Wissenschaftler auf beiden Hochzeiten tanzen?

Bachmann: Bei den meisten Forschern lässt sich eine Art wissenschaftlicher Lebenszyklus beobachten. Junge Ökonomen streben vor allem hochkarätige Veröffentlichungen in Fachzeitschriften an. Mit steigendem Alter neigen sie dann stärker der wirtschaftspolitischen Beratung zu. Daher benötigt man eine gute Altersmischung an den Lehrstühlen. Viele Lehrstühle sind in den vergangenen Jahren mit jungen Wissenschaftlern neu besetzt worden. Daher gibt es derzeit viele Ökonomen, die hochkarätig publizieren, aber nur wenige, die sich für politische Beratung interessieren. In 20 Jahren dreht sich das ins Gegenteil um.

Freytag: Wer sich mit aktuellen wirtschaftspolitischen Fragen beschäftigt, hat es schwer, in Fachzeitschriften zu publizieren. Viele Forscher wenden sich daher von der Analyse der Wirtschaftspolitik ab. So geht uns wichtige Expertise verloren. Nehmen Sie nur die Subventionsberichte des Instituts für Weltwirtschaft: Damit können die Forscher nur sehr schwer in internationalen Fachzeitschriften landen. Trotzdem ist das Thema von großer Bedeutung.

Haucap: Ich stimme Ihnen zu. Wichtige Teilsegmente der deutschen Volkswirtschaft liegen in der Forschung schon jetzt weitgehend brach, weil sich keine rein auf Deutschland bezogenen Arbeiten in den internationalen Top-Journalen unterbringen lassen. Drei Viertel der Papiere, die dort von deutschen Ökonomen publiziert werden, sind theoretischer oder experimenteller Natur oder arbeiten nicht mit deutschen oder europäischen Daten. Wenn die Monopolkommission für ein Gutachten etwa Experten für Wettbewerb im Handel oder im Krankenhaussektor sucht, ist das schwer. Es gibt kaum Wissenschaftler, die den deutschen Markt kennen und sich wissenschaftlich damit befassen.

Die Beratung der Politik ist traditionell eine Aufgabe der Wirtschaftsforschungsinstitute...

Bachmann: ...die man in den vergangenen Jahren in die akademische Forschung getrieben hat. Das war ein Fehler. Ihre Funktion als Mittler zwischen universitärer Spitzenforschung und wirtschaftspolitischer Beratung ist aus dem Gleichgewicht geraten. Feld: Da muss ich widersprechen. Bund und Länder haben viel Geld in die Institute gesteckt, die teilweise in Routinearbeiten erstarrt und gegenüber neuen wissenschaftlichen Methoden kaum aufgeschlossen waren. Es war daher gut, Druck auf die Institute auszuüben, damit sie stärker in die akademische Forschung gehen. Das Problem ist nur, dass wir dabei mit der uns eigenen deutschen Gründlichkeit übertrieben haben. Das gilt auch für die Besetzung von Lehrstühlen. Jetzt haben wir Probleme, junge Ökonomen für die wirtschaftspolitische Beratung zu gewinnen.

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