Für Adam Smith, den Urvater der Nationalökonomie, war die Sache klar. “Jeder konsumfreudige Bürger”, schrieb Smith vor mehr als 200 Jahren, “ist eine Last für das Gemeinwesen, jeder sparsame Bürger hingegen ein Gewinn”. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass die Wirtschaft durch Konsumausgaben nicht wachsen kann. Wachstum kann es nur geben, wenn der Kapitalstock steigt, wenn also mehr Geld in Maschinen, Anlagen und andere Investitionsgüter fließt. Dafür aber müssen die Bürger sparen.
Literatur von und über Adam Smith
Das 1776 erschienene Werk ist der Klassiker der ökonomischen Literatur und die erste systematische Aufarbeitung und Bündelung ökonomischen Wissens. Dass Smiths Analyse über Wachstum, Preise, Arbeitsteilung und Staatstätigkeit auch mehr als 230 Jahre später noch ihre Leser findet, liegt nicht nur an ihrer dogmengeschichtlichen Relevanz: Das Buch ist anschaulich geschrieben und kommt noch völlig ohne mathematische Formeln aus.
(dtv, 12. Auflage 2009, 855 Seiten, 19,90 Euro)
Mit dem mehrfach überarbeiteten Werk setzt Smith einen Kontrapunkt zu seiner ökonomischen These, dass Eigennutz die Triebfeder des Wohlstands ist. Smith zeichnet in seiner Moralphilosophie ein positives Menschenbild, bei dem sich die Individuen auch von Mitgefühl und Sympathie leiten lassen.
(Meiner Felix Verlag, Neuauflage 2009, 648 Seiten, 28,90 Euro)
Das Buch beschreibt die zentralen Ideen einflussreicher Ökonomen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, darunter neben Smith auch Ricardo, Malthus, Marx und Menger. Anspruchsvoll aufbereitet, trocken geschrieben. Für Leser mit ökonomischen Vorkenntnissen.
(Band 1, Beck, 2008, 359 Seiten, 14,95 Euro)
Doch was ist mit dem Staat, ist Sparen auch für ihn eine Tugend? Darüber streiten an diesem Wochenende führende Ökonomen aus aller Welt auf der Jahrestagung der American Economic Association in Philadelphia. Während auf den Straßen der Ostküstenmetropole klirrende Kälte herrscht, geht es in den Konferenzsälen heiß her. Auch sieben Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise beschäftigen deren Folgen die Ökonomenzunft.
In Europa und den USA haben die Regierungen in den vergangenen Jahren mit zum Teil drastischen Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen versucht, die Defizite in den öffentlichen Haushalten unter Kontrolle zu bringen. Dabei haben die Sparmaßnahmen das Wachstum jedoch spürbar gebremst, erklärte Olivier Blanchard, Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Zwar habe die Rückführung der Defizite das Vertrauen in die Staatsfinanzen etwas verbessert. Je weniger Schulden der Staat mache, desto weniger müsse er seine Bürger in Zukunft durch Steuern für den Zinsdienst heran ziehen. Die Aussicht auf niedrigere Steuern könne die Konsumlaune der Bürger erhöhen. Doch reiche das nicht, um den Nachfrageeinbruch infolge der staatlichen Sparpolitik auszugleichen, sagte Blanchard unter Hinweis auf Berechnungen des IWF. Problematisch sei, dass die Regierungen den Rotstift vor allem bei den Investitionsausgaben angesetzt haben. Das gelte gerade für die Krisenländer der Eurozone.
Nach Ansicht von Larry Summers, Professor an der Harvard Universität, hat der Sparkurs fatale Konsequenzen. Der ehemalige Wirtschaftsberater von US-Präsident Barack Obama und Finanzminister von Bill Clinton fürchtet, dass die USA vor einer säkularen Stagnation statt vor einem kräftigen Aufschwung stehen. Summers greift damit eine These auf, die schon die Ökonomen John Maynard Keynes und Alvin Hansen vor einigen Jahrzehnten vertraten. Danach kommt das Wachstum einer Wirtschaft zum Erliegen, wenn die geplanten Ersparnisse die geplanten Investitionen übersteigen.
Fed hat Mitschuld an der Immobilienblase
Einen Grund für den Investitionsmangel sieht Summers in der ungünstigen demografischen Perspektive in den USA. In den nächsten Jahrzehnten werde die US-Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kaum noch wachsen. Das bremse die Investitionen, weil eine stagnierende Bevölkerung weniger Häuser, Maschinen, Autos und Bürogebäude benötigt als eine wachsende Bevölkerung. Erste Anzeichen dafür sieht Summers in den hohen Barmitteln, auf denen Unternehmen wie Apple und Google sitzen. Den Unternehmen mangele es an rentablen Investitionsprojekten. Statt ihre Gewinne in neue Projekte zu stecken, fließe das Geld in Aktienrückkäufe und Dividenden.
Weil die Geldpolitik ihr Pulver weitestgehend verschossen habe, könne jetzt nur noch die Finanzpolitik Amerika vor der Stagnation retten. Statt zu sparen müsse die Regierung daher die Investitionsausgaben kräftig erhöhen. Angesichts der aktuell niedrigen Zinsen hätten zusätzliche Staatsausgaben besonders kräftige Wirkungen auf das Wachstum, sagte Summers. Berechnungen zeigten, dass höhere Defizite das Wachstum so stark anregen, dass die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sinken.
Ob den USA tatsächlich eine säkulare Stagnation droht, ist hingegen fraglich. Denn in einer offenen Volkswirtschaften fließen die Ersparnisüberschüsse ins Ausland. Das setzt den Dollar unter Druck, regt die Exporte an und steigert die Investitionen.
Widerspruch erntete Summers von John Taylor, Professor an der Uni in Stanford. Taylor sieht den Grund für das bisher schwache Wachstum der US-Wirtschaft in der Verunsicherung der Unternehmen und Bürger durch die Politik. “Die Geld- und die Fiskalpolitik sind in den vergangenen Jahren zunehmend dirigistisch, diskretionär und unberechenbar geworden”, kritisierte Taylor.
Taylor warf der US-Notenbank Fed vor, sie habe nach dem Platzen der New-Economy-Blase die Zinsen viel zu lange viel zu niedrig gelassen. Das habe die Anleger in risikoreichere Anlagen getrieben und zur Blasenbildung am Immobilienmarkt geführt. Die Politik der quantitativen Lockerung, mit der die Fed auf die Finanzkrise reagierte, habe die Wirtschaft zusätzlich verunsichert, da die Notenbanker ohne feste Regeln darüber entscheiden, wann und wie viele Staatsanleihen sie kaufen.
Die Konjunkturprogramme der Regierung hätten allenfalls Strohfeuereffekte gehabt, den langfristigen Wachstumspfad aber nicht erhöht, kritisierte Taylor. Die Wirtschaft werde erst auf einen höheren Wachstumspfad einschwenken, wenn Geld- und Finanzpolitik sich an Regeln hielten. Konkret forderte Taylor, das Anleihenkaufprogramm der Fed zu beenden, zu positiven Realzinsen zurück zu kehren, den Staatshaushalt zu konsolidieren und höhere Eigenkapitalvorschriften für Banken zu erlassen statt den Finanzsektor mit immer detaillierteren Regulierungen zu malträtieren.
Vier Alternativen für Europa
Auch in Europa wachsen die staatlichen Schuldenberge. Zudem müssen die Krisenländer ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen. Ohne Austeritätspolitik ist das jedoch nicht möglich, erklärte Hans-Werner Sinn, Chef des ifo Instituts auf der Tagung in Philadelphia. Mit Ausnahme Irlands liege das Niveau der Industrieproduktion in den Krisenländern noch immer weit unter dem Vorkrisenniveau. Der Erfolg Irlands sei eine Folge der dort konsequent betriebenen Austeritätspolitik.
Fehle die Erkenntnis, dass Sparmaßnahmen und Lohnzurückhaltung nötig sind, könne nur der Druck durch den Markt die notwendigen Reformen erzwingen. In Europa haben Regierungen und EZB diese Marktmechanismen jedoch ausgeschaltet. So habe die EZB mit der Ankündigung, notfalls in großem Umfang Staatsanleihen der Krisenländer zu kaufen, deren Zinsen künstlich nach unten gedrückt und den Reformdruck geschmälert.
Für die Zukunft der Eurozone sieht Sinn 4 Alternativen, die allesamt mit großen Problemen verbunden sind. Erstens könne aus der Eurozone endgültig eine Transferunion werden. Das nähre jedoch die Zwietracht zwischen Geber- und Nehmerländern und gefährde langfristig den politischen Zusammenhalt in Europa.
Zweitens könnten die Krisenländer die Löhne und Preise senken, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Allerdings führe dies zu Massenarbeitslosigkeit und Bankrotten. Drittens könnten die Kernländer inflationieren. Ob dies in Deutschland jedoch politisch durchzuhalten ist, sei fraglich. Zudem verletze die EZB damit ihr Ziel, die Inflation unter 2 Prozent zu halten. Viertens könnten die Krisenländer aus der Eurozone austreten. Allerdings wäre dies mit Bank-Runs und Kapitalverkehrskontrollen verbunden.
Weil keine der Alternativen politisch realistisch sei, plädierte Sinn dafür, eine Schuldenkonferenz in Europa einzuberufen. Ihr Ziel müsse sein, die Verbindlichkeiten der überschuldeten Länder umzustrukturieren, auch wenn dies mit Verzichten der Gläubiger einhergehe. Danach sollten die Länder, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind, temporär aus der Eurozone ausscheiden. Anschließend müsse die Währungsunion wieder zum Maastrichter Vertrag zurück kehren mit strikter Regelbindung für Fiskal- und Geldpolitik.
Ob die Politiker auf die Mahnungen der Ökonomen in Philadelphia hören, darf bezweifelt werden. Doch das könnte sich ändern. Kehrt die Krise zurück oder platzt die nächste Blase, dürften die Ratschläge der Ökonomen bei den Regierungen wieder hoch im Kurs stehen. Das gilt auch dann, wenn die Vertreter der Ökonomenzunft - wie immer - über die richtigen Krisenrezepte zerstritten sind.