Auch in Europa wachsen die staatlichen Schuldenberge. Zudem müssen die Krisenländer ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen. Ohne Austeritätspolitik ist das jedoch nicht möglich, erklärte Hans-Werner Sinn, Chef des ifo Instituts auf der Tagung in Philadelphia. Mit Ausnahme Irlands liege das Niveau der Industrieproduktion in den Krisenländern noch immer weit unter dem Vorkrisenniveau. Der Erfolg Irlands sei eine Folge der dort konsequent betriebenen Austeritätspolitik.
Fehle die Erkenntnis, dass Sparmaßnahmen und Lohnzurückhaltung nötig sind, könne nur der Druck durch den Markt die notwendigen Reformen erzwingen. In Europa haben Regierungen und EZB diese Marktmechanismen jedoch ausgeschaltet. So habe die EZB mit der Ankündigung, notfalls in großem Umfang Staatsanleihen der Krisenländer zu kaufen, deren Zinsen künstlich nach unten gedrückt und den Reformdruck geschmälert.
Für die Zukunft der Eurozone sieht Sinn 4 Alternativen, die allesamt mit großen Problemen verbunden sind. Erstens könne aus der Eurozone endgültig eine Transferunion werden. Das nähre jedoch die Zwietracht zwischen Geber- und Nehmerländern und gefährde langfristig den politischen Zusammenhalt in Europa.
Zweitens könnten die Krisenländer die Löhne und Preise senken, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Allerdings führe dies zu Massenarbeitslosigkeit und Bankrotten. Drittens könnten die Kernländer inflationieren. Ob dies in Deutschland jedoch politisch durchzuhalten ist, sei fraglich. Zudem verletze die EZB damit ihr Ziel, die Inflation unter 2 Prozent zu halten. Viertens könnten die Krisenländer aus der Eurozone austreten. Allerdings wäre dies mit Bank-Runs und Kapitalverkehrskontrollen verbunden.
Weil keine der Alternativen politisch realistisch sei, plädierte Sinn dafür, eine Schuldenkonferenz in Europa einzuberufen. Ihr Ziel müsse sein, die Verbindlichkeiten der überschuldeten Länder umzustrukturieren, auch wenn dies mit Verzichten der Gläubiger einhergehe. Danach sollten die Länder, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind, temporär aus der Eurozone ausscheiden. Anschließend müsse die Währungsunion wieder zum Maastrichter Vertrag zurück kehren mit strikter Regelbindung für Fiskal- und Geldpolitik.
Ob die Politiker auf die Mahnungen der Ökonomen in Philadelphia hören, darf bezweifelt werden. Doch das könnte sich ändern. Kehrt die Krise zurück oder platzt die nächste Blase, dürften die Ratschläge der Ökonomen bei den Regierungen wieder hoch im Kurs stehen. Das gilt auch dann, wenn die Vertreter der Ökonomenzunft - wie immer - über die richtigen Krisenrezepte zerstritten sind.