Ökonomie-Nobelpreis Ausgezeichnete Konfliktlöser

Mit Spannung warteten Ökonomen auf die Entscheidung des schwedischen Komitees - jetzt steht sie fest: Erstmals holt eine Frau die Hälfte der begehrten Trophäe. Doch auch der andere Laureat ragt aus dem Kreis der Preisträger heraus.

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Elinor Ostrom wird als erste Quelle: AP

Noch völlig schockiert sei sie von der Entscheidung der Schwedischen Akademie der Wissenschaften, sagt die amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Elinor Ostrom. Die 1933 geborene Forscherin kann offensichtlich noch nicht fassen, dass sie mit dem Ökonomienobelpreis 2009 die höchste Auszeichnung für Angehörige ihrer Zunft einheimst.

Ostrom, die zuvor nur in Fachkreisen bekannt war, teilt sich den Preis zur Hälfte mit ihrem US-Kollegen Oliver Williamson. Als erste Frau, die mit der goldenen Medaille geehrt wird, dürfte es allerdings Ostrom sein, die vor und während der offiziellen Verleihungszeremonie im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen wird.

Ökonomie der Allmende

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Ostrom zählt zu den führenden Köpfen der ökonomischen Umweltforschung und lehrt als Professorin an der Universität des US-Bundesstaats Indiana. Sie überzeugte das Nobelpreiskomitee mit ihren Forschungen über das Management öffentlichen Eigentums.

Die Ergebnisse von Ostroms Arbeit besitzen hohe Relevanz, da sie ein gängiges Vorurteil widerlegen: Öffentliches Eigentum an Naturschätzen führe zwangsläufig zu Misswirtschaft und Verschwendung, lautete die tradierte Ansicht. Demnach sollten allgemein zugängliche Ressourcen unter staatliche Aufsicht gestellt oder privatisiert werden, um Ausplünderung zu verhindern.

Ostrom überprüfte diese These in zahlreichen empirischen Studien über die Nutzung natürlicher Ressourcen wie Fischbeständen, Weideflächen, Wäldern oder Grundwasserreserven. Ihr Ergebnis: In der Mehrzahl der Fälle verwalten die Allmendenutzer die kostbaren Rohstoffe besser, als althergebrachte ökonomische Modelle glauben machen.

Ostrom entdeckte, dass Bauern oder Fischer oft völlig unbeeinflusst von staatlicher Regulierung selbständig Methoden entwickeln, um ihre Gemeinschaftsressourcen zu verwalten und dabei entstehende Konflikte zu lösen.

Konzern versus Markt

Die Erforschung von Konflikten ist ein Thema, mit dem auch der Berkeley-Professor Oliver Williamson bei der Nobelpreisjury punktete. Der 76-jährige Ökonom ist sowohl von seiner Ausbildung als auch von seiner Forschung und Lehre her stark kaufmännisch geprägt. Mit diesem fachlichen Hintergrund stellt er eine Ausnahmeerscheinung unter den Trägern des Wirtschaftsnobelpreises dar, denn oft geht die Auszeichnung an Volkswirte.

Seinen Bachelor machte Williamson an der Sloan School of Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Nach Lehraufträgen in Betriebs- und Volkswirtschaft sowie Recht lehrt er nun an der Haas Business School der Universität des US-Bundesstaats Kalifornien.

Oliver Williamson: eine Quelle: AP

Als Vertreter der Neuen Institutionenökonomik forscht Williamson unter anderem, wie unvollständige Verträge, unsauber zugeordnete Eigentumsrechte und Transaktionskosten das Wirtschaftsleben beeinflussen. Besondere Aufmerksamkeit beim Nobelpreiskomitee erlangte er mit seinen Untersuchungen zu Lösungsmöglichkeiten ökonomischer Konflikte.

Williamson vergleicht zwei alternative Institutionen zur Bewältigung von Interessensgegensätzen: Freie Märkte und hierarchisch organisierte Unternehmen. Bei beiden stellt er sowohl Vor- als auch Nachteile fest, so dass sich Unternehmen und Märkte in unterschiedlichen Fällen als Konfliktlöser eignen.

Machtmissbrauch in Märkten mit geringem Wettbewerb

Das Problem der Koordination über Märkte sei häufig auftretende Feilscherei, die mit Unzufriedenheit des unterlegenen Verhandlungspartners ende. Nur wenn die Zahl der Wettbewerber groß genug sei, könnten sich Unzufriedene neue Geschäftspartner suchen.

Das Problem großer Unternehmen sei dagegen Machtmissbrauch, gegen den schwächere Parteien sich nicht wehren können. In Märkten mit generell geringem Wettbewerb seien fusionierte Unternehmen jedoch die bessere Form der Konfliktlösung. Williamson untermauerte seine Ergebnisse auch mit empirischen Forschungen. Er zeigte, dass innerhalb von Konzernen zahlreiche Transaktionen ablaufen, die in einigen Fällen den Markt sinnvoll ersetzen können.

Einflussreiche Geheimniskrämer

Mit der Auszeichnung von Ostrom und Williamson ist dem Nobelpreiskomitee mal wieder eine Überraschung gelungen. Zwar wird vor den Entscheidungen jedes Mal heftig spekuliert, wer den viel beachteten Preis gewinnt. Doch die verschwiegenen Schweden verstehen sich darin, ihre Kür bis zur offiziellen Veröffentlichung geheim zu halten.

Aus gutem Grund, denn das Preiskomitee will mit den jährlichen Verleihungen deutliche Signale für die Welt der Wissenschaft setzen. Der Wirtschaftsnobelpreis soll zeigen, welcher Forscher mit seinen Denkansätzen für die moderne Ökonomie besonders wichtig ist. Einer Auszeichnung als würdig erweisen sich Köpfe, die ökonomisches Neuland erobern und so das Denken ihrer gesamten Zunft beeinflussen.

Schon wird beraten, wer im Quelle: dpa

Nicht zuletzt deshalb bereichern zahlreiche moderne Teildisziplinen die klassische Ökonomie. Die Avantgardisten der neuen Denkschulen werden regelmäßig als Favoriten für den Nobelpreis gehandelt. So gehörten in diesem Jahr der Zürcher Experimentalökonom Ernst Fehr und sein amerikanischer Fachkollege Matthew Rabin als herausragende Vertreter der verhaltensorientierten Wirtschaftsforschung zum engsten Favoritenkreis.

Mit den US-Ökonomen William Nordhaus (Yale) und Martin Weitzman (Harvard) galten zwei Experten für die wirtschaftliche Analyse des Klimawandels als weitere heiße Kandidaten. Ebenfalls nobelpreisverdächtig waren die Leistungen des Stanford-Professors John Taylor, der das Versagen der US-Notenbank als Hauptursache der Finanzkrise anprangert.

Auch der New Yorker Ökonom Mark Gertler hat sich mit seiner Analyse der Internetblase Anfang des Jahrtausends einen Platz im Kreis der Nobelpreisanwärter erobert. In seiner zusammen mit Ben Bernanke, dem Chef der amerikanischen Zentralbank, veröffentlichten Arbeit, zeigte er, dass Notenbanken auch in Krisen keine Aktienkurse manipulieren sollten. Mit Jordi Gali zählte auch ein Spanier zu den diesjährigen Preiskandidaten. Der Neoklassiker Gali wendet statistische Methoden auf wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen an.

Der Nobelpreis ist die höchste Auszeichnung für Wirtschaftswissenschaftler. Wer sie erhält, wird als Wissenschaftler unsterblich und zieht mit Triumph in den Olymp der Ökonomen ein. Während die beiden diesjährigen Gewinner noch jubeln, bereiten die fleißigen Schweden schon die nächste Kür vor: Die Suche nach würdigen Kandidaten startet regelmäßig im Oktober. Dann holt das Auswahlkomitee unter anderem bei rund 2000 international führenden Volkswirten Vorschläge ein. Auch die Preisträger der Vergangenheit haben dabei ein Wörtchen mitzureden.

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