Fast könnte man den Eindruck gewinnen, der Weltklimarat (IPCC) und die Schwedisch Königliche Akademie der Wissenschaften hätten sich abgesprochen. Just an dem Tag, an dem der Klimarat „weitreichende Änderungen“ der menschlichen Lebensweise zur Begrenzung der Erderwärmung fordert, vergibt die Schwedische Akademie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften an zwei US-Ökonomen für deren Arbeiten zum Zusammenhang von Klimawandel, Innovationen und Wirtschaftswachstum.
Auf den ersten Blick scheinen die Arbeiten der beiden Preisträger, William Nordhaus von der Yale-Universität und Paul Romer von der New York University, nicht viel gemeinsam zu haben. Während sich Nordhaus mit den wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels beschäftigt, geht Romer, der auch Chefökonom der Weltbank war, in seinen Analysen dem Wissen als treibender Kraft für das langfristige Wachstum der Wirtschaft auf den Grund. Nordhaus hat die Knappheit der natürlichen Ressourcen, Romer den Erfindungsgeist der Menschen in die ökonomische Analyse von Wachstumsprozessen einbezogen.
Was die Arbeiten der beiden Ökonomen verbindet, ist, was Ökonomen externe Effekte nennen. Dabei handelt es sich um Nebenwirkungen, die von menschlichem Handeln ausgehen. Im Fall der von Nordhaus untersuchten CO2-Emissionen wird gemeinhin von negativen externen Effekten ausgegangen, denn die Mehrheit der Klimaforscher betrachtet die CO2-Emissionen als Grund für den globalen Temperaturanstieg, der schädlich sei für den wirtschaftlichen Wohlstand der Menschheit. Die von Romer untersuchten Innovationen hingegen werden gemeinhin mit positiven externen Effekten in Verbindung gebracht. Denn Innovationen, insbesondere diejenigen in der Grundlagenforschung, kommen allen Menschen zugute.
Wachstumsursachen im Detail erforscht
Gemeinsam ist den Arbeiten der Laureaten zudem, dass ihre Untersuchungen auf den Vorarbeiten des US-Ökonomen Robert Solow beruhen, der für seine Erforschung der Determinanten des Wirtschaftswachstums 1987 den Nobelpreis erhielt. Solow zufolge bestimmen die Menge und Qualität der Arbeitskräfte, der Bestand an Maschinen und Anlagen sowie der technische Fortschritt das Wachstum der Wirtschaft. Letzterer fällt in Solow`s Modell allerdings wie Manna von Himmel – eine ziemlich absurde Annahme.
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Romer zeigt in seinen Untersuchungen, dass der technische Fortschritt nicht von außen auf die Menschen niederprasselt, sondern durch die Marktkräfte in der Wirtschaft selbst erzeugt wird. Der wichtigste Faktor dafür ist die Akkumulation von Wissen, wie es etwa durch Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten entsteht. Die Basis dafür liegt in der Bildung der Menschen. Eine von Wissen und Ideen getriebene Gesellschaft kann Romer zufolge einen nachhaltig höheren Wachstumspfad erreichen. Romers Arbeiten haben wir es zu verdanken, dass das Thema Bildung in den vergangenen Jahrzehnten ganz oben auf die Agenda der Politik gerückt ist.
Zahlen rund um die Nobelpreise
...hinterließ Alfred Nobel 1896 mit seinem Testament. Heute entspricht das rund 169 Millionen Euro.
..., und 870.000 Euro, erhält jeder Preisträger aus den Zinsen dieses Erbes in diesem Jahr.
...Wissenschaftler, Literaten, Organisationen und Persönlichkeiten sind seit 1901 mit einem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Dazu kommen 79 Träger des Preises für Wirtschaftswissenschaften, der zwar kein offizieller Nobelpreis ist, meist aber dazugerechnet wird.
...alt war der bislang älteste Preisträger, Leonid Hurwicz, bei seiner Auszeichnung mit dem Wirtschaftspreis 2007.
...ist das Durchschnittsalter der Nobelpreisträger.
...war die jüngste Preisträgerin Malala Yousafzai alt, als sie 2014 den Friedensnobelpreis bekam.
...gab es – gezählt in allen Kategorien zusammen – keinen Nobelpreis, vor allem in den Kriegsjahren. Am häufigsten wurde der Friedenspreis ausgesetzt, in diesem Jahr ist es der Literaturpreis.
...wurde eine Frau ausgezeichnet. Zwei Preise davon gingen an Marie Curie.
...teilten sich Familienmitglieder einen Preis. Besonders erfolgreich war die Familie Curie.
...deutschsprachige Autoren erhielten den Literaturnobelpreis.
...Menschen oder Organisationen bekamen den Preis mehrfach: John Bardeen (2x Physik), Marie Curie (Physik und Chemie), Linus Pauling (Chemie und Frieden), Frederick Sanger (2x Chemie), das Rote Kreuz (3x Frieden) und das Flüchtlingshilfswerk UNHCR (2x Frieden)
...Preisträger wurden gezwungen, Nobelpreise abzulehnen. Adolf Hitler verbat es den Chemikern Richard Kuhn und Adolf Butenandt sowie dem Mediziner Gerhard Domagk. Die Sowjetunion sagte im Namen von Autor Boris Pasternak ab.
...Friedensnobelpreisträger saßen am Tag der Bekanntgabe im Gefängnis: Carl von Ossietzky, Aung San Suu Kyi und Liu Xiabo.
...Preisträger haben den Nobelpreis freiwillig abgelehnt: Jean Paul Sartre 1964, der aus Prinzip keine Ehrungen akzeptierte, und Le Duc Tho, der 1973 zusammen mit Henry Kissinger für die Aushandlung des Vietnam-Friedens ausgezeichnet werden sollte.
Allerdings kommt Romer in seinen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass der Markt zu wenig Forschung und Entwicklung hervorbringt, weil er Innovatoren nicht ausreichend für die positiven externen Effekte belohne. Daher plädiert er für staatliche Forschungssubventionen und Patente. Deren Laufzeit müsse begrenzt werden, um die Diffusion des neuen Wissens in die Wirtschaft nicht zu blockieren.
Fraglich ist jedoch, ob Patente und Forschungssubventionen überhaupt sinnvoll sind oder ob sie nicht vielmehr den Marktprozess verzerren. Denn sie lenken knappe Ressourcen in geschützte Branchen und Unternehmen. Das Risiko ist groß, dass die Ressourcen dann an anderer Stelle fehlen, wo sie dringender benötigt werden.
Rückwirkungen des Klimawandels auf die Wirtschaft
Die Gefahr, etatistischen Kräften Vorschub zu leisten, sind auch mit den Arbeiten von William Nordhaus zum Klimawandel verbunden. In seinen Modellen kombiniert Nordhaus die Forschungsergebnisse der Naturwissenschaften mit denen der Ökonomie. Seine Modelle beschreiben die Wirkungen des CO2-Ausstoßes auf die weltweite Temperaturentwicklung und zeigen, welche Rückkopplungen umweltpolitische Maßnahmen, etwa CO2-Steuern, auf das Wirtschaftswachstum haben.
Nordhaus Plädoyer für eine weltweite CO2-Steuer hat ihn zum ökonomischen Vordenker der Umweltaktivisten gemacht. Allerdings stellt sich die Frage, ob das ökonomische Instrumentarium geeignet ist, die optimale Höhe einer CO2-Steuer zu bemessen. Zudem darf angesichts wissenschaftlicher Zweifel an den Erkenntnissen vom menschengemachten Klimawandel gefragt werden, wie sinnvoll es ist, dass sich Ökonomen auf fachfremde Erkenntnisse verlassen, auf deren Basis sie schwerwiegende Eingriffe in den Marktmechanismus fordern.
Die Vergabe des Nobelpreises an Romer und Nordhaus hat daher einen faden Beigeschmack. Denn sie ist Wasser auf die Mühlen all jener, die sich für mehr statt weniger Eingriffe des Staates in die Marktwirtschaft aussprechen. Wie wäre es, wenn das Nobelpreiskomitee demnächst einmal jemanden ehrt, dessen Arbeiten belegen, dass nicht staatliche Interventionen, sondern Markt und Freiheit entscheidend für unseren Wohlstand sind? Eine Kandidatin wäre Deirdre McCloskey. Die Auszeichnung an die Forscherin aus Chicago wäre nicht nur ein überfälliges Statement für den Markt - sondern auch ein Zeichen, dass Wirtschaft nicht immer Männersache ist.