In dem Saal, der für Weltpolitik angelegt ist, fläzen sich ein paar chinesische Studenten in die vielen freien Sitze. Sie haben an diesem schwülen Sommertag keinen Blick für die sorgsam aufgereihten Fahnen im Pressesaal der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec), alphabetisch sortiert von Algerien bis Venezuela. Sie verschwenden kein Auge auf die Schilder, die weiter hinten im Raum eingelassen sind, um all den Kamerateams ihren Platz zuzuweisen, von Al Jazeera bis zum russischen Staatsfernsehen. Für die Touristen aus Fernost ist der Raum mitten in der Wiener Innenstadt eine eher verstaubte Besuchsstation, wie so viele andere in der Habsburger-Metropole. Bereits nach wenigen Minuten drängeln die ersten Studenten, wann es denn zur nächsten Sehenswürdigkeit weitergehe.
Was Sie über den Ölpreis wissen müssen
Da Öl ursprünglich in Fässern abgefüllt wurde - Barrel im Englischen -, wird diese Maßeinheit in der Branche bis heute verwendet. Ein Barrel sind 159 Liter.
Die steile Talfahrt begann Mitte 2014, bis Anfang 2016 hatte sich der Preis mehr als gedrittelt. Seitdem hat sich der preis wieder erholt, bleibt aber weiter weit hinter früheren Niveaus zurück. Hintergrund ist ein knallharter Wettbewerb zwischen den klassischen Ölförderern wie Saudi-Arabien und neuen Konkurrenten, die Rohöl mit der aufwendigen Fracking-Methode aus Schiefergestein lösen, allen voran in den USA.
Rohöl ist nicht gleich Rohöl. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Sorten – je nach Region. Alleine der Finanzinformationsdienst Bloomberg listet mehr als 100 Stück auf, wovon allerdings nur wenige große Bedeutung haben. Als Richtwert am Finanzmarkt gilt das US-Rohöl West Texas Intermediate (WTI). Eine weitere wichtige Sorte ist das Nordsee-Öl Brent.
Bei den Ölsorten gibt es gravierende Unterschiede bei der Qualität, was auch zu merklichen Preisunterschieden führt. So kann etwa die Sorte North Dakota Sour in der Raffinerie nur schwer verarbeitet werden, weil sie stark schwefelhaltig ist. Das schlägt sich auch im Preis nieder.
Für US-Öl und Brent-Öl werden die Preise über das Spiel von Angebot und Nachfrage gebildet. Aber auch diese Sorten können eine Vielzahl von unterschiedlichen Preisen haben, was daran liegt, dass sie in sogenannten Future-Kontrakten gehandelt werden. Der Käufer erwirbt dabei Rohöl mit unterschiedlichen Lieferdaten. Der am meisten gehandelte und damit für die Anleger wichtigste Future-Kontrakt läuft über einen Monat.
Auch die Ölsorten des Ölkartells Opec (Organisation erdölexportierender Länder) sind für die Weltwirtschaft von hoher Bedeutung. Von der Opec-Zentrale in Wien wird einmal täglich der sogenannte Opec-Korbpreis ermittelt. Hierfür melden alle Mitgliedstaaten des Ölkartells ihre jeweiligen Ölpreise, dann wird der sogenannte Korbpreis aller 13 Opec-Sorten errechnet. Dieser Durchschnittspreis wird allerdings immer mit einem Tag Verzögerung veröffentlicht und spiegelt daher nicht die neueste Entwicklung wider.
Dabei stand das Kürzel Opec lange Zeit nicht für bleierne Geschichte, sondern für geballte und gelebte Macht. Mithilfe der Organisation wollten die mächtigen Ölfördernationen aus den Golfstaaten, aus Südamerika und aus Afrika nicht weniger als die Welt dominieren.
Der Pressesaal, in dem sich nun die studentischen Besucher langweilen, produzierte Bilder der Weltgeschichte. Als die Opec-Gewaltigen am 16. Oktober 1973 beschlossen, den Ölpreis kurzerhand zu verdoppeln, gab es kurz darauf weltweit – und auch in Deutschland – Schlangen an den Zapfsäulen und autofreie Sonntage. „Für die Konsumentenstaaten schien es, als hätte sich das Tor zur Hölle aufgetan“, heißt es in einem Buch über die Opec.
Seit jenen Tagen genoss das Bündnis aus aktuell 14 Mitgliedsländern den Ruf, eine Art allmächtiges Orakel der Weltwirtschaft zu sein. In seinen halbjährlichen Sitzungen entschied das Kartell über globalen Aufschwung oder universelle Rezession.
Doch Sitzungen der Opec versetzen heute niemanden mehr in Schrecken. Das gilt für die Touristen in Wien, aber auch für den Rest des Planeten. Wie sehr, musste die Organisation gerade erfahren, als sie sich zu altem Größe aufzubäumen versuchte. Auf einer Sitzung diese Woche in Abu Dhabi beschworen die Mitglieder ihre Politik der Förderkürzungen. Ähnliches hatte der saudi-arabische Energieminister und Opec-Präsident Khalid Al-Falih zuvor schon bei Treffen in Sankt Petersburg und Wien kundgetan.
Der Effekt war aber jedes Mal der gleiche: es gab so gut wie keinen, ganz anders als früher. Nach kleineren Ausschlägen pendelte sich der Ölpreis wieder um die 50 Dollar pro Barrel der Nordseesorte Brent ein. Die Zeiten, als der Ölpreis noch deutlich über 100 Dollar pro Barrel notierte, scheinen für das Bündnis mittlerweile so unerreichbar wie in der Wüste eine Fata Morgana. Nicht einmal über 60 Dollar konnte ihn das Kartell hieven.
Erzfeind: Fracking
Schuld am Niedergang der Opec ist vor allem der Aufstieg der USA zur Ölnation. Seit dort die Förderung von Schieferöl, das sogenannte Fracking, auch bei niedrigen Ölpreisen rentabel ist, bleiben diese Preise im Keller. „Die neue Kostenstruktur durch Fracking wird in den kommenden Jahren den Ölpreis determinieren – und nicht die Opec“, sagt Andreas Goldthau, Energieexperte an der Universität London.
Doch auch die Verwerfungen innerhalb des Bündnisses setzen der Organisation zu. Immer wieder verstoßen gerade die kleineren Mitgliedstaaten gegen die selbst auferlegten Förderquoten. Die Opec-Mitglieder Libyen und Nigeria, die im Bürgerkrieg versinken, halten sich ohnehin seit Längerem nicht mehr an Vorgaben.
Und wie geht es mit dem mächtigen Mitglied Venezuela, unter dessen Territorium die größten Ölreserven überhaupt lagern, weiter? Ungewiss. Nur die enge Allianz mit Russland und anderen Nichtmitgliedern sichert der Opec derzeit zumindest etwas Einfluss auf die Ölpreise und ein wenig verbliebene Macht.
Doch wie lange wird die noch reichen? Und wie viel Zukunftsmacht kann man sich von glänzender Geschichte kaufen?