Paul Samuelson Der Bestseller der Volkswirtschaft

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Mathematisierung des Fachs

In den 30er Jahren bekam Samuelson den Antisemitismus in Harvard zu spüren - trotz eines erstklassigen Abschlusses bot man ihm nur einen drittklassigen Posten an. Quelle: dpa/dpaweb

1947 veröffentlichte Samuelson die „Foundations of Economic Analysis“, sein erstes großes Werk, das international Aufsehen erregte. Es war der Versuch, die VWL in ihrer Breite mathematisch zu durchdringen und somit auf eine neue theoretische Grundlage zu stellen. Samuelson war es, der als Erster den Ansatz der Maximierung unter Nebenbedingungen systematisch auf die Breite ökonomischer Probleme anwandte und damit einen Paradigmenwechsel in der VWL einleitete – hin zur Mathematisierung des Fachs. Oft betonte er damals, wie viel die VWL von der Physik lernen könne. Seine Zunft nahm ihn allzu wörtlich. Spätestens seit den Siebzigerjahren war ohne mathematische Formeln in den angesehenen Journalen kein Staat mehr zu machen. „Irgendwann ist die herzliche Umarmung der Mathematik in blinde Verliebtheit und schließlich in Besessenheit umgeschlagen“, kritisiert der Princetoner Ökonom Alan Blinder.

In der aktuellen Finanzkrise musste sich die Ökonomenzunft den Vorwurf gefallen lassen, über die Mathematisierung des Fachs ihre Prognosekraft und Weitsicht verloren zu haben. Samuelson selbst hatte dies vorausgesehen und gewarnt, aus „Physikneid“ die Formalisierung des Fachs auf die Spitze zu treiben: „Die ökonomischen Probleme sollen uns vorgeben, mit welcher Mathematik wir uns beschäftigen – nicht umgekehrt.“ Dass er die Volkswirtschaftslehre mit der Mathematik verband und sie so stringent und klar machte, bleibt ungeachtet dessen eines seiner großen Verdienste.

Antisemitismus in Harvard

Das Harvard der Dreißigerjahre bot dem jungen Samuelson zunächst die intellektuelle Herausforderung, die er suchte. Die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät erlebte eine neue Blütezeit, auch bedingt durch die Flucht vieler europäischer Gelehrter vor der Nazidiktatur. Joseph Schumpeter, Wassily Leontief, Gottfried Haberler und andere ließen sich an der Ostküstenfakultät nieder. Samuelson war von Schumpeter und Leontief beeindruckt, was auf Gegenseitigkeit zu beruhen schien. Doch trotz seines überragenden Abschlusses bot Harvard Samuelson nur einen drittrangigen Posten an, was Zeitgenossen seiner Jugend, seinem forschen Auftreten und antijüdischen Ressentiments an der Fakultät zuschrieben. „Antisemitismus war omnipräsent im Wissenschaftsbetrieb vor dem Zweiten Weltkrieg – hier und anderswo“, konstatierte Samuelson nüchtern. „Natürlich wussten meine WASP-Frau (Weiß, Angel-Sächsisch, Protestantisch) und ich, dass dies meine Karriere in Harvard beeinflussen würde.“

Anfang der Vierzigerjahre machte ihm das MIT ein Angebot und der frisch verheiratete Samuelson zog mit seiner Frau Marion Crawford, auf die zuvor auch Schumpeter ein Auge geworfen hatte, drei Meilen nach Süden an den Charles River. Mit ihr bekam er sechs Kinder, darunter Drillingsjungen. „Zuerst bekamen wir ein Kind, dann das zweite, dann das dritte, dann bekamen wir Angst“, scherzte er einmal.

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