




Von Arthur Salz; bearbeitet von Malte Fischer und Bert Losse
Das Verhältnis zwischen Gläubigern und Schuldnern überragt jedes andere soziale Organisationsprinzip an Bedeutung. Es ist das wirtschaftliche und soziale Polarisationsprinzip schlechthin, und zwar von Land zu Land und von Einzelwirtschaft zu Einzelwirtschaft. Es geht quer hindurch durch jede sonstige Integration und Desintegration der Gesellschaft. Das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis ist ein monetäres und kreditäres Prinzip, ist Ausdruck und Folge der modernen Geld- und Kreditwirtschaft. Und je größer die Bedeutung des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses ist, umso mehr werden durch stark schwankende Preise die Grundlagen des betreffenden Wirtschaftssystems erschüttert.
Man sagt mit Recht: Kratze einen Inflationisten, und du stößt auf einen Schuldner und umgekehrt: Kratze einen Deflationisten, und du findest einen Gläubiger. Gewiss, ein Sinken der Preise vermindert die Profite und verschlechtert die Lage der Produzenten, während die Kaufkraft der Bezieher fixer Einkommen vergrößert wird. Andererseits begünstigen sinkende Preise die Wirtschaftslage der Gläubiger auf Kosten der Schuldner, denn bei Rückzahlung der Schuldsumme erhalten die Gläubiger eine größere Kaufkraft, und wenn das Geld zu festen Zinsen verliehen wurde, ist jede Zinszahlung für die Empfänger mehr wert als bei hohen Güterpreisen.

Wenn die Preise im Steigen begriffen sind, wird der Schein der Prosperität leicht übertrieben, weil die öffentliche Meinung, einschließlich der Arbeiterklassen, stark unter dem Einfluss des Urteils der nach ihren eigenen Erfahrungen urteilenden Geschäftswelt steht. Es ist aber das rasche und plötzliche starke Sinken und Steigen der Preise, nicht etwa das Sinken der Preise an sich, was die Störung der ganzen Wirtschaft bedingt.
Diesem Grundverhältnis von Gläubiger und Schuldner steht die Geldordnung in den modernen Staaten neutral gegenüber. Würden die Notenbanken als Hüter der Währungsverfassung bei jeder starken Änderung des Gläubiger-Schuldner-Verhältnisses aus ihrer überparteilichen Stellung heraustreten und sich auf Seite der einen Partei schlagen, so würde die Folge sein, dass wir statt einer Währungsordnung dauernde Erschütterungen aller Wertvorstellungen hätten. Wie viele und wie starke derartige Erschütterungen ein Wirtschaftssystem erträgt ohne zusammenzubrechen, ist eine noch wenig untersuchte Frage.





Jedenfalls wäre das Geld seiner wesentlichen Funktion, die es in der neueren Zeit hat, Rechenmaß aller wirtschaftlichen Werte zu sein, entkleidet. Wir würden in eine Anarchie aller Wertvorstellungen geraten, solange nicht ein von Geld losgelöster, unabhängiger Wertmaßstab gefunden ist.
Wie in einem modernen Staat die oberste Staatsspitze gewohnheitsmäßig nicht in den Streit der Parteien und parlamentarischen Debatten gezogen wird, so ist in den modernen Staaten auch die Währung als eherner Fels dem Streit der Wirtschaftsinteressen entrückt, und dies mit gutem Grund. Denn von allen Faktoren, die sonst noch auf das Preisniveau einwirken, ist vielleicht der stärkste preisbestimmende Faktor das Vertrauen in die Währungsordnung selbst. Der Kredit, den eine Währung genießt (vonseiten des in- und ausländischen Publikums), ist wichtiger als der Kredit, der künstlich geschaffen werden kann.