Steigende Energie- und Lebensmittelpreise haben die Inflation in Deutschland erstmals seit viereinhalb Jahren über die Marke von zwei Prozent getrieben. Im Februar kosteten Waren und Dienstleistungen 2,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. "Eine solch hohe Inflationsrate wurde zuletzt im August 2012 gemessen", teilte das Statistische Bundesamt mit.
Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur 2,1 Prozent erwartet, nach 1,9 Prozent im Januar. Die Teuerungsrate liegt nun erstmals seit 2012 über der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie spricht nur bei Werten von knapp unter zwei Prozent von stabilen Preisen.
Energie verteuerte sich mit 7,2 Prozent besonders stark, vor allem Heizöl, Benzin und Diesel. Das Ölkartell Opec hatte sich Ende vorigen Jahres im Kampf gegen eine Überangebot auf eine Förderkürzung geeinigt, was für steigende Preise sorgt. Nahrungsmittel kosteten 4,4 Prozent mehr als im Februar 2016, unter anderem wegen Missernten in südeuropäischen Ländern. Die EU-Kommission sagt Deutschland für 2017 eine durchschnittliche Inflationsrate von 1,9 Prozent voraus, was fast viermal so viel wäre wie 2016.
Ende der Mini-Inflations für deutsche Verbraucher
Die Zeiten extrem niedriger Teuerungsraten nahe der Nullmarke oder gar darunter scheinen vorbei zu sein. Im Dezember gab es einen überraschend kräftigen Sprung: Zum Jahresende lag die jährliche Teuerungsrate bei 1,7 Prozent nach jeweils 0,8 Prozent im Oktober und November. Das ist der stärkste Anstieg seit Juli 2013. Für das Gesamtjahr 2016 errechnete das Statistische Bundesamt eine durchschnittliche Inflationsrate von 0,5 Prozent nach 0,3 Prozent ein Jahr zuvor. Im längeren Vergleich ist die Inflation damit aber nach wie vor vergleichsweise gering.
Vor allem die Preisentwicklung bei Energie. Seit Mitte 2014 wurde Rohöl vor allem infolge der weltweiten Überproduktion deutlich billiger. Kurz vor Weihnachten wurde ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent für gut 54 Dollar gehandelt, im Sommer 2014 waren es noch rund 115 Dollar gewesen. Doch es zeichnet sich eine Trendwende ab: Erstmals seit Herbst 2013 mussten Verbraucher in Deutschland im Dezember für Tanken und Heizen wieder tiefer in die Tasche greifen als im Vorjahresmonat. Die Mineralölpreise ziehen auch deshalb wieder an, weil das Ölkartell Opec und andere Förderstaaten angekündigt haben, die Produktion zu verringern, um den Preis für das „schwarze Gold“ nach oben zu treiben.
Auch wenn die Energiepreise zuletzt wieder anzogen, ist das Niveau noch vergleichsweise moderat. Wer vergleichsweise wenig Geld an der Tankstelle und beim Heizöllieferanten lässt, hat mehr Spielraum für andere Anschaffungen. Die Kaufkraft erhöht sich zudem, weil Lohnerhöhungen wegen der geringen Inflation fast vollständig im Geldbeutel der Beschäftigten bleiben. Im dritten Quartal 2016 lagen die Reallöhne in Deutschland nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes um 1,8 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum.
Wenn die Preise für viele Waren und Dienstleistungen über einen längeren Zeitraum kaum noch oder gar nicht mehr steigen, könnte das Verbraucher und Unternehmer bei Investitionen bremsen. Es könnte ja bald noch billiger werden. Schlimmstenfalls würde das die Konjunktur abwürgen. Mit viel billigem Geld versucht die Europäische Zentralbank (EZB) gegenzusteuern. Im Dezember verlängerte die Notenbank ihr Programm zum Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen um neun Monate bis mindestens Ende 2017. Von April an will die EZB aber monatlich nur noch 60 Milliarden Euro statt 80 Milliarden Euro in den Markt pumpen. Die Geldflut soll die Konjunktur ankurbeln und die Inflation anheizen. Mittelfristig strebt die EZB ein stabiles Preisniveau bei knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke.
„Grundsätzlich befinden sich die Inflationsrate in Deutschland und die des Euroraums im Aufwärtstrend“, konstatierte Commerzbank-Ökonom Marco Wagner. „Maßgeblicher Treiber sollten in den kommenden Monaten die Energiepreise sein.“ Der leichte Ölpreisanstieg dürfte sich fortsetzen, zudem fällt der Preisunterschied zum Vorjahr 2017 nicht mehr so stark ins Gewicht. Volkswirte trauen auch der Weltwirtschaft wieder mehr Wachstum zu - wenn die Konjunktur besser läuft, steigen tendenziell Löhne und Preise. Einen rasanten Anstieg der Teuerungsraten erwarten Ökonomen gleichwohl nicht. Die Bundesbank rechnet für 2017 für Deutschland mit einer Inflationsrate von 1,4 Prozent.
Monat für Monat schwirren Preiserheber der Statistischen Landesämter und des Wiesbadener Bundesamtes aus. Die 600 Frauen und Männer notieren bundesweit in Geschäften, was Obst und Gemüse, Bücher und Zeitschriften, Schuhe und Möbel kosten. Wie hoch ist der Listenpreis für ein Auto, was kostet eine Pauschalreise, was der Sprit an der Tankstelle? Mehr als 300 000 Einzelpreise von Waren und Dienstleistungen werden so repräsentativ nach einem stets gleichen Schema erfasst. Der Warenkorb umfasst rund 600 Güterarten. Den größten Anteil hat Wohnen (Mieten, Strom, Gas) mit fast 32 Prozent. Gut 10 Prozent entfallen auf Lebensmittel. Auf dieser Grundlage berechnet das Statistische Bundesamt die Verbraucherpreisentwicklung.
Nicht nur Energie und Nahrungsmittel, sondern auch viele andere Waren und Dienstleistungen dürften bald teurer werden, erwartet Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel. "Grund dafür ist die gute Konjunktur mit steigender Beschäftigung", sagte er. "Das eröffnet den Unternehmen Spielräume, höhere Kosten – etwa durch steigende Importpreise infolge des abgewerteten Euro - auf die Kunden umzulegen." Damit wächst der Druck auf die EZB, die geldpolitische Wende vorzubereiten. Sie hat den Leitzins auf null Prozent gesenkt, um eine Deflation - einen Preisverfall auf breiter Front - zu verhindern. Außerdem pumpt sie über Anleihenkäufe Milliarden in die Wirtschaft.
"Die EZB wird unter starken Druck kommen, ihre ultralockere Geldpolitik zurückzufahren", sagte Bargel. Sie könne deshalb in diesem Jahr verkünden, die Anleihenkäufe weiter zu drosseln. "Zinserhöhungen sind aber frühestens 2018 zu erwarten."