Die Inflationsrate im Euroraum ist zu Jahresbeginn auf einen Höchststand gestiegen. Dienstleistungen und Waren kosteten im Januar durchschnittlich 5,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistikamt Eurostat auf Basis endgültiger Daten mitteilte. Im Dezember lag die Teuerungsrate noch bei 5,0 Prozent, im November bei 4,9 Prozent. Damit ist die Inflation sehr weit über das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) hinausgeschossen, die eine Rate von 2,0 Prozent als optimalen Wert für die Wirtschaft anpeilt.
Haupttreiber der Inflation sind die stark gestiegenen Preise für Energie, die nun im Zuge der eskalierenden Ukraine-Krise weiter Auftrieb erhielten. Aber auch Dienstleistungen, Lebensmittel und diverse Industriegüter verteuerten sich zum Jahresauftakt merklich. Lebens- und Genussmittel waren 3,5 Prozent teurer als vor einem Jahr.
Ohne Energie, Lebens- und Genussmittel stieg das Preisniveau im Januar um 2,3 Prozent. In dieser Abgrenzung war der Preisauftrieb rückläufig, im Dezember hatte die sogenannte Kernrate noch 2,6 Prozent betragen. Die Kerninflation wird von vielen Ökonomen als verlässliches Maß für den Inflationstrend angesehen.
Das mittelfristige Inflationsziel der EZB von zwei Prozent wird damit aktuell noch deutlicher als bisher überschritten. Die EZB steckt am 10. März wieder den geldpolitischen Kurs ab. Nach dem vom EZB-Stab entworfenen Szenario wird sich die Inflation 2022 stabilisieren und es schrittweise zu einem Rückgang der Teuerungsrate kommen. Laut EZB-Ratsmitglied Francois Villeroy de Galhau wird die Europäische Zentralbank die Auswirkungen der Krise auf Wachstum und Inflation im Blick halten.
Die EZB sieht die Inflation zwar immer noch auch durch Sonderfaktoren getrieben. Sie zeigte sich zuletzt durch die anhaltend hohe Inflationsdynamik überrascht. Die Zentralbank schließt eine Leitzinserhöhung in diesem Jahr mittlerweile nicht mehr aus. An den Finanzmärkten wird fest mit einer Zinswende in diesem Jahr gerechnet. Im März soll dann über das weitere Vorgehen beraten werden. Es wird auch über ein vorzeitiges Ende der konjunkturstützenden Anleihekäufe diskutiert.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Die nach einheitlichen europäischen Regeln berechnete deutsche Inflationsrate lag im Januar ebenfalls bei 5,1 Prozent. Die Preise steigen einem Top-Ökonomen zufolge in der Wahrnehmung deutscher Verbraucher allerdings deutlich stärker als offiziell gemessen. Die gefühlte Inflationsrate liege aktuell bei rund 8,5 Prozent, sagte Gunther Schnabl, Professor für Wirtschaftspolitik und Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Leipzig, der Nachrichtenagentur Reuters. „Mit dem steilen Anstieg der offiziell gemessenen Raten ist die Inflation nun in aller Munde. Sie wird daher von den Verbrauchern viel stärker wahrgenommen“, sagte Schnabl. „Dazu kommt, dass wegen der Corona-Krise anders konsumiert wird. Restaurantbesuche sind weniger geworden, es werden eher mehr Lebensmittel gekauft - und gerade die haben sich zuletzt überdurchschnittlich verteuert.“
Da Obst, Gemüse oder Brot regelmäßig gekauft werden, fallen Preiserhöhungen auch stärker auf als bei selten gekauften Waren wie Möbel, Waschmaschinen oder Computer.
Mehr zum Thema: Nur keine Panik. 2022 ist nicht 1922. Aber wer Inflationssorgen als deutsche Obsession abtut, macht es sich auch zu leicht. Stark steigende Preise zehren nicht nur unser Geld auf, sondern auch unser Weltvertrauen.