Pro und Contra War die Finanzkrise vermeidbar?

Seite 2/3

Mein Gott, Amerika!

Finanzkrisenschock Quelle: AP

Wenn das stimmt, was die "New York Times" über den Report der amerikanischen Finanzkommission zur Aufklärung der Ursachen der Finanzkrise schreibt,  dann ist das heute zur Veröffentlichung anstehende 576 Seiten dicke Foliat nicht nur eine riesige Enttäuschung, sondern ein Schlag in das Gesicht all jener Ökonomen, die sich um eine wissenschaftlich fundierte und neutrale Aufarbeitung der Krisenursachen bemüht haben.

Den Verfassern des Reports fällt offenbar nichts Besseres zur Erklärung der Krise ein als populäre Vorurteile zu schüren. Kurz zusammengefasst erklären sie die Finanzkrise durch 3 Faktoren: zu starke Deregulierung der Finanzmärkte, Gier der Banken und Versagen der Banken- und Finanzaufsicht. Zwar wird auch die US-Notenbank Fed kritisiert, aber nur, weil ihr damaliger Chef Alan Greenspan sich zum Advokaten der Finanzmarktderegulierung gemacht hat.

Nun wäre es sicherlich verfehlt, die Banken und die Aufsichtsorgane des Finanzwesens in Schutz zu nehmen und zu exkulpieren. Sie alle haben mit gepokert beim großen Finanzmonopoly beziehungsweise weggeschaut, wenn es halblegal wurde. Aber die Finanzkrise so einseitig den Banken in die Schuhe zu schieben wie das die Finanzkommission macht, grenzt an Volksverdummung.

Besonders dann, wenn ausdrücklich erklärt wird, dass die vom Kongress dekretierte aggressive Wohneigentumsförderpolitik der halbstaatlichen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac sowie die extreme Niedrigzinspolitik der Fed zwischen 2001 und 2004 nicht die Hauptursachen der Finanzkrise seien. Das stellt nun wirklich alle wissenschaftlichen Erklärungen der Finanzkrise auf den Kopf!

Populäre Bankenschelte

Tatsächlich sind es genau diese Faktoren gewesen, die die Krise wirklich verursacht haben. Um die großen Einkommensungleichheiten in den USA zu verringern, wurden Fannie und Freddy vom Kongress beauftragt, auch bonitätsschwachen Haushalten den Kauf von Häusern zu ermöglichen. Dazu kauften sie deren Hauskredite von den regionalen Hypothekenbanken, bündelten und verbrieften sie - und verkauften sie weiter in alle Herren Länder. Durch die Niedrigzinspolitik der Fed schien das alles auch noch finanzierbar zu sein.

Aber die anderslautende "Erkenntnis" der Autoren des Berichts, es seien vor allem die Banken und die zügellose Deregulierungspolitik unter Clinton und Bush gewesen, die die Krise verursacht haben, kann nicht verwundern. Denn bei den Autoren handelt es sich um sechs demokratische und vier republikanische Politiker. Als Teil des Washingtoner Systems haben sie fleißig mitgewirkt an der desaströsen Wohneigentumsförderpolitik. Wären sie ehrlich und nennten diese Politik als Ursache der Finanzkrise, beförderten sie sich selbst auf die Anklagebank (dass wenigstens einer der republikanischen Verfasser dies in einem Minderheitsvotum tut, ist der einzige Lichtblick des Reports)

Mit ihrer auch verbal ungehaltenen Bankenschelte bedienen die Verfasser des Reports mehrheitlich populäre Vorurteile und sind sich des Applauses des Publikums gewiss. Wenn das die große Aufklärung der Finanzkrise ist, die sich das politische Amerika verordnet hat, dann muss man sich nicht wundern, wenn das Land bald wieder da ist, wo es vor rund drei Jahren war - am Beginn einer neuen Finanzkrise.

Malte Fischer

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%