Rate liegt weiter unter dem Zielwert Draghis Problem mit der Inflation

Wann immer EZB-Präsident Mario Draghi eine Hürde auf seinem Weg zu einer höheren Inflationsrate nimmt, taucht bereits die nächste auf. Nun tritt eine altbekannte Sorge wieder ins Rampenlicht.

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Der Präsident der EZB während einer Pressekonferenz im Frankfurter Hauptquartier: Marion Draghi wünscht sich, dass die Inflation steigt und nicht sinkt. Quelle: Reuters

Düsseldorf Gerade gab es ermutigende Signale, dass auch die Herausforderungen von Brexit bis Terrorismus die verhaltene Erholung im Euroraum nicht abwürgen werden, da bedroht ein neuerlicher Rückgang der Ölpreise die erwartete Beschleunigung der Inflation. Da das Wachstum nicht stark genug ist, um seinerseits Preisdruck zu erzeugen, könnte der Präsident der Europäischen Zentralbank seinen Inflationsausblick einmal mehr revidieren müssen.

Die Inflationsrate liegt auch nach zwei Jahren mit beispiellosen Konjunkturimpulsen weiter deutlich unter dem EZB-Zielwert von knapp zwei Prozent und dürfte diesen auch nicht vor 2018 erreichen. Die EZB-Mitarbeiter werden ihre neuen Prognosen Mitte August erstellen. Die Währungshüter haben es zwar nicht eilig, ihr 1,7 Billionen Euro schweres Programm der quantitativen Lockerungen im September anzupassen oder zu erweitern, doch Ökonomen erwarten, dass Draghi noch vor Jahresende weitere Lockerungen vornehmen muss.

„Da die Wirtschaft des Euroraums das Brexit-Votum nun anscheinend verdaut hat, wird die Inflation vor dem Hintergrund dieser negativen Nachrichten über die Ölpreise wieder stärker im Fokus stehen“, sagte Johannes Gareis, Ökonom bei Natixis in Frankfurt. „Ja, die EZB hat es geschafft, die Deflationsängste zu zerstreuen, doch all die Unsicherheit bedeutet, dass die Inflation länger niedrig bleibt - und Draghi wird das berücksichtigen müssen.“

Großbritanniens Votum für einen Austritt aus der Europäischen Union, die Thema der Solidität der Banken der Region und Terroranschläge in Deutschland und Frankreich dominierten in den vergangenen Wochen die öffentliche Debatte. Draghi und seine Kollegen hatten viel damit zu tun, Unternehmen, Verbraucher und Investoren zu beruhigen. Sie versicherten, dass sie bei Bedarf auf diese Schocks reagieren würden und gewannen Zeit, um die Auswirkungen besser abzuschätzen.

Mittlerweile legen Umfragen nahe, dass sich die Brexit-Auswirkungen auf die Wirtschaft des Euroraums im Rahmen halten werden, und die Konjunkturerholung setzt sich in einem langsamen, aber stetigen Tempo fort. Das Wirtschaftsvertrauen verbesserte sich im Juli, und ein Einkaufsmanagerindex signalisierte eine leichte Beschleunigung der Aktivität.


Kerninflation wird auf neue Rekordtiefs fallen

Doch nun tritt eine altbekannte Sorge wieder ins Rampenlicht: Der Brent-Rohölpreis ist seit dem Referendum in Großbritannien am 23. Juni um mehr als 13 Prozent gefallen. Der Rückgang mag zwar nicht so stark sein wie der vorherige, als der Ölpreis über einen ähnlichen Zeitraum hinweg um etwa 40 Prozent eingebrochen war. Er wird sich aber dennoch dämpfend auf die Inflation auswirken. Für die Teuerung war eigentlich eine Erholung vorausgesagt worden, da die Auswirkungen früherer Rohstoffpreisrückgänge auslaufen. Die EZB rechnet derzeit damit, dass sich der Verbraucherpreisauftrieb auf durchschnittlich 0,6 Prozent im vierten Quartal beschleunigt, verglichen mit 0,2 Prozent im letzten Monat.

„Das Öl wird leicht negative Auswirkungen auf die Teuerung haben, weswegen der Inflationsverlauf etwas nach unten revidiert wird“, sagte Ökonom Frederik Ducrozet von Banque Pictet & Cie SA in Genf. „Wahrscheinlich wird sich die Inflation trotzdem beschleunigen, aber es wird ein sehr langsamer und geringer Anstieg.“

Die Binnenwirtschaft wird wahrscheinlich nicht viel beisteuern können. Einem EZB-Forschungspapier zufolge betrug die Lücke zwischen tatsächlicher und potenzieller Leistung in den vergangenen zwei Jahren bis zu sechs Prozent, während die Schätzungen normalerweise eher nahe bei zwei Prozent liegen. Das würde bedeuten, dass die Wirtschaft noch einen langen Weg vor sich hat, bis sie an ihre Kapazitätsgrenzen stößt und höhere Preise erzeugt.

Die Kerninflation, die volatile Elemente wie Energie und Nahrungsmittel nicht berücksichtigt, lag im Juli bei 0,9 Prozent. Volkswirtin Gizem Kara von BNP Paribas in London erwartet, dass die Kernrate in den kommenden Monaten nicht steigen, sondern auf Rekordtiefs fallen wird. „Da das Wachstum nach Brexit nach unten revidiert wird, wird die Produktionslücke länger groß bleiben“, sagte sie. „Der Inflationstreiber für den Euroraum wird von außerhalb kommen müssen,“ und „das ist derzeit das Kernproblem des Euroraums“.

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