Regionale Arbeitslosigkeit Der deutsche Arbeitsmarkt wankt

Der Arbeitsmarkt ist die wichtigste und stabilste Säule der deutschen Wirtschaft – noch Quelle: imago images

Bislang bleibt die deutsche Wirtschaft trotz drohender Rezession robust. Das liegt nicht zuletzt am Arbeitsmarkt, der sich weiterhin stabil zeigt – allerdings nur auf den ersten Blick.

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Auf den ersten Blick versprühen die Kennzahlen vorsichtigen Optimismus: Gerade ist der wichtigste Konjunktur-Indikator, das Bruttoinlandsprodukt, knapp an einem Minus vorbeigeschrammt und hat Deutschland vor dem vernichtenden Urteil einer „technischen Rezession“ bewahrt.

Nun zeigt sich auch das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zuversichtlicher als zuvor: Die Experten erwarten in den nächsten drei Monaten keine deutliche Zunahme der Arbeitslosigkeit.

Auch die Agentur für Arbeit, zu der das IAB gehört, untermauert diese beruhigende Prognose mit ihrer Monatsstatistik für November: im Vergleich zum Vormonat ist die Zahl der registrierten Arbeitslosen um 24.000 gesunken. Zur Zeit sind 2,18 Millionen Menschen ohne Job, das ist der niedrigste Stand seit der Wiedervereinigung.

Alles halb so wild also, Rezession erfolgreich gebannt? Ganz so einfach ist es nicht. Ein Blick in eine andere Statistik zeigt, dass der Arbeitsmarkt weit weniger robust ist, als die Monatszahlen aus Nürnberg glauben machen.

Auch die Schweizer Großbank UBS erhebt regelmäßig die Arbeitslosigkeit, und zwar nicht nur bundesweit, sondern heruntergebrochen auf alle deutschen Kreise. Diese Zahlen haben es in sich: Im Oktober war demnach die Arbeitslosigkeit in 37 Prozent aller Kreise höher als im Vorjahr. Zum Vergleich: Ein Jahr vorher war das nur in drei Prozent aller Kreise der Fall.

Das ist umso bedeutsamer, als es Experten zufolge vor allem der Arbeitsmarkt ist, der Deutschland derzeit vor größeren wirtschaftlichen Problemen bewahrt. So erklärt Enzo Weber, Leiter des IAB-Forschungsbereichs Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen: „Ohne den starken Arbeitsmarkt wäre das Risiko wesentlich höher, dass Deutschland in eine Wirtschaftskrise rutscht.“

Zwar seien Arbeitskräfte immer noch so knapp, dass der Arbeitsmarkt robust bleibe. Jedoch: „Der Wirtschaftsabschwung führt insbesondere in der Industrie zu Problemen.“

Die neueste UBS-Erhebung deutet darauf hin, dass sich diese Probleme sehr wohl schon jetzt am Arbeitsmarkt niederschlagen. Die Arbeitslosigkeit ist demnach vor allem in Kreisen in den Industrie-Hochburgen Bayern und Baden-Württemberg angestiegen: Dort verzeichnen 50 Prozent (Bayern) beziehungsweise sogar 70 Prozent (Baden-Württemberg) der Landkreise höhere Arbeitslosenquoten als im Vorjahr. Es passt nur ins Bild, dass zuletzt immer mehr Industriekonzerne Stellenabbau oder Kurzarbeit angekündigt haben.

So deutlich der Trend wirkt, so wenig wird er vorerst in den Statistiken aus Nürnberg auffindbar sein. Das Team um UBS-Deutschland-Chefvolkswirt Felix Hüfner rechnet damit, dass erst dann ein bundesweiter Trend sichtbar wird, wenn 60 Prozent der Kreise betroffen sind. Das wären 241 Kreise und damit knapp 100 Kreise mehr als zuletzt.
Hüfner und seine Kollegen berufen sich auf historische Daten, aus denen sich die 60-Prozent-Schwelle als verlässlicher Indikator ergebe. Beruhigend ist das allerdings nur bedingt: Denn aus den Daten geht ebenfalls hervor, dass die Arbeitslosigkeit vor allem dann zum Massenphänomen wird, wenn sie aus einer bestimmten Region kommt: aus dem produktionsstarken Süden des Landes.

Mit Material der dpa

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