Rezession Ende des Asien-Booms

Jahrelang boomte die Wirtschaft in Japan, China und den asiatischen Tigerstaaten. Das ist nun vorbei. In Japan schrumpft die Wirtschaft so stark wie seit 25 Jahren nicht mehr. Auch andere exportorientierte Staaten der Region geraten in Turbulenzen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Japans Exportwirtschaft bricht Quelle: AP

Die Hoffnung, dass nach der dramatischen Finanzkrise in den USA und Europa zumindest die asiatischen Staaten wie China, Indien, Japan oder Singapur die Weltkonjunktur stützen könnten, schwindet immer mehr. Ganz im Gegenteil: Die stark exportorientierte Industrie im fernen Osten trifft die globale Weltwirtschaftskrise nun mit voller Wucht. Heute gab es neue Hiobsbotschaften aus Japan: Die Wirtschaft schrumpft dort so stark so stark wie zuletzt in der Ölkrise 1974.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im Schlussquartal 2008 aufs Jahr hochgerechnet um 12,1 Prozent eingebrochen. Das gab die Regierung auf Basis revidierter Daten bekannt. Die Statistiker hatten zunächst mit einen Rückgang von annualisiert 12,7 Prozent gerechnet, doch die Lagerbestände stiegen stärker als gedacht. Die japanische Industrie produzierte also deutlich mehr als nachgefragt wurde. Im Vergleich zum Vorquartal ergab sich ein Rückgang von nun revidiert 3,2 Prozent statt 3,4 Prozent.

Der Rückgang der wirtschaftlichen Leistung im nunmehr dritten Quartal in Folge zeigt einmal mehr, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt in die tiefste Rezession der Nachkriegszeit gerutscht ist. Japans Wirtschaft leidet unter einem beispiellosen Exporteinbruch. Nach Einschätzung von Ökonomen wird sich die Lage erst dann verbessern, wenn sich die Nachfrage auf den beiden wichtigsten Auslandsmärkten USA und China wieder erholt.

Gewinne der japanischen Unternehmen brechen ein

Japans Exporte waren angesichts der Wirtschaftskrise im Januar um 46,3 Prozent eingebrochen. Als Folge verzeichnete das Land erstmals seit 13 Jahren ein Defizit in der Leistungsbilanz, also im Saldo der Güterimporte und -exporte.

Wegen der wegbrechenden Exporte sind die Aufträge im japanischen Maschinenbau im Januar im vierten Monat in Folge auf den tiefsten Stand seit fast 22 Jahren gesunken. Eine so lange Durststrecke hat die zweitgrößte Volkswirtschaft noch nie zuvor verzeichnet. Vor allem die Stahl- und die Automobilbranche erteilten angesichts der globalen Absatzkrise deutlich weniger Aufträge.

Nach Berechnungen des Nomura Securities Financial and Economic Research Centers in Tokio dürften die Vorsteuergewinne von 348 großen japanischen Unternehmen außerhalb des Finanzsektors im Ende März ablaufenden Geschäftsjahr 2008/2009 um insgesamt 61,1 Prozent zurückgehen.

Chinas Exporte gehen immer mehr zurück

Auch aus China reißt die Flut der schlechten Nachrichten nicht ab. Dort gingen die Exporte im vergangenen Monat  im Vergleich zum Februar des Vorjahres um 25,7 Prozent zurück. Im Februar führte China Waren im Wert von 64,9 Milliarden US-Dollar aus. Chinas Exporte, die bisher immer ein wichtiger Motor der drittgrößten Volkswirtschaft war, sind damit schon vier Monate in Folge gefallen.

Auch die Importe gingen zurück, und zwar um 24,1 Prozent auf 60,5 Milliarden Dollar. Der Handelsüberschuss verringerte sich im Februar auf 4,4 Milliarden US-Dollar, den niedrigsten Stand seit drei Jahren. Da die Exporte auch in den kommenden Monaten stärker abnehmen dürften als die Importe, gehen Experten davon aus, dass der Außenhandelsüberschuss weiter schrumpfen wird.

Trotz der Krise zeigte sich Chinas Regierungschef Wen Jiabao kürzlich vor dem Volkskongress zuversichtlich, „rund acht Prozent“ Wirtschaftswachstum zu erreichen. Doch sahen Beobachter darin vor allem Zweckoptimismus. Die bisherigen Schätzungen der Weltbank und anderer Experten reichen von fünf bis maximal sieben Prozent Wachstum in diesem Jahr, was für ein Schwellenland wie China nicht ausreicht, um genügend Arbeitsplätze zu schaffen.

Obwohl sich die Quelle: REUTERS

Tausende Fabriken, vor allem in der Exportindustrie, haben bereits dicht gemacht. Nach amtlichen Schätzungen haben bereits 20 Millionen Wanderarbeiter ihren Job verloren. In den ärmsten Gebieten des Landes droht sogar eine Lebensmittelknappheit.

Immerhin: Das chinesische Konjunkturpaket zeigt erste Wirkung. Die Investitionen etwa in Straßen, Kraftwerke oder Wohnungen stiegen in den ersten beiden Monaten zwischen 25 und 40 Prozent. „Es steht außer Frage, dass die Investitionen in Sachanlagen in der ersten Jahreshälfte steigen werden, wenn man sich die Summen ansieht, die in Infrastruktur und öffentlichen Wohnungsbau investiert werden“, sagte Lu Zhengwei, Chefvolkswirt der Industrial Bank in Shanghai. Die Führung in Peking hatte im November ein Konjunkturpaket im Volumen von vier Billionen Yen (etwa 460 Milliarden Euro) aufgelegt, um das Wachstum anzukurbeln.

Auch andere Länder in der Region sind hart getroffen. In Indien brach das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2008 auf 5,3 Prozent ein – eine herbe Enttäuschung für die lange Zeit boomende Wirtschaft. In den vergangenen sechs Jahren hatte das Land Zuwachsraten von durchschnittlich knapp neun Prozent verzeichnet. Die Exportwirtschaft leidet unter dem schwersten Einbruch seit zehn Jahren, allein in diesem Bereich verloren bereits fast eine Million Menschen ihren Arbeitsplatz. Für dieses Jahr rechnet der Internationale Währungsfonds IWF mit einer Wachstumsrate von rund 5,1 Prozent.

Die Tigerstaaten schrumpfen trotz Konjunkturprogrammen

Im Vergleich zu China steht Indien aber besser da, denn die indische Wirtschaft ist nicht ganz so exportabhängig. Indiens Ausfuhren betragen rund 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in China beträgt die Exportquote 34 Prozent. Zudem ist das inländische Konsumklima noch vergleichsweise gut, auch weil die Regierung zwei Programme zur Konjunkturbelebung auflegt hat.

Unter der weltweiten Wirtschaftskrise leiden besonders die wachstumsverwöhnten Tigerstaaten wie Thailand, Singapur, Indonesien und Malaysia. In der Finanz- und Handelsmetropole Singapur schrumpfte die Wirtschaftsleistung im viertel Quartal 2008 um 16,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, in Thailand um 4,3 Prozent. Die Tigerstaaten sind vom Welthandel besonders abhängig: In Malaysia beträgt die Exportquote etwa 90 Prozent, in Singapur sogar 180 Prozent.

Um zumindest die Inlandsnachfrage anzukurbeln, haben auch diese Staaten massiv Ausgaben erhöht sowie Steuern und Zinsen gesenkt. Doch selbst falls die Ausgabenprogramme wirken, sind die Prognosen für diese Länder alles andere als rosig. Experten gehen davon aus, dass die Wirtschaft in Thailand, Malaysia und Singapur in diesem Jahr zwischen zwei und fünf Prozent schrumpfen wird.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%