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Risikofaktor Euro Deutsche Wirtschaft gerät in Rutschgefahr

Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal kräftig gewachsen. Doch die Frühindikatoren fallen miserabel aus. Der Winter könnte hart werden. Ob das Frühjahr besser wird, hängt von der europäischen Schuldenkrise ab.

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Ein Verkehrsschild warnt vor Rutschgefahr. Quelle: ap

Düsseldorf Es waren konsumfreudige Verbraucher, die der deutschen Wirtschaft im dritten Quartal trotz Schuldenkrise zu kräftigem Wachstum verholfen haben. Das Bruttoinlandsprodukt legte von Juli bis September um 0,5 Prozent zum Vorquartal zu, teilte das Statistische Bundesamt in einer ersten Schätzung mit. Auch die Handelsblatt-Prognosebörse hatte ein Wachstum von 0,55 Prozent vorausgesagt.

Die Freude über die guten Zahlen währte jedoch nur kurz und wurde bald darauf durch den ZEW-Frühindikator getrübt, der kräftig zurück ging.

Dabei sieht der Status quo gar nicht schlecht aus. Das Statistikamt revidierte auch seine Schätzung für das zweiten Quartal von 0,1 auf 0,3 Prozent nach oben. Ökonomen werteten dies positiv. "Die Zahlen passen besser in unser Konjunkturbild," sagte der Konjunkturchef des Münchener ifo-Instituts, Kai Carstensen, im Gespräch mit Handelsblatt Online.

Der Commerzbank-Chefvolkswirt, Jörg Krämer, führt einen Teil des Wachstums im dritten Quartal allerdings auf einen Sondereffekt zurück. Die deutschen Autohersteller hätten im Sommer anders als üblich durcharbeiten lassen. Deshalb sei die Autoproduktion im dritten Quartal ungewöhnlich stark gestiegen. "Das hat das Wachstum um 0,2 bis 0,3 Prozent erhöht," sagte Krämer.

Noch im August waren die Statistiker davon ausgegangen, dass die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal stagniert sei - und hatten damit die Märkte in Angst versetzt. Damals war darüber diskutiert worden, dass Deutschland seine Funktion als Lokomotive für das Wachstum in der Euro-Zone verliert.

Tatsächlich zeigen die neuesten Zahlen aus der Eurozone weiterhin große Wachstumsunterschiede an: Spaniens Wirtschaft stagnierte im Sommer, während die portugiesische sogar um 0,4 Prozent schrumpfte. Frankreich hingegen schaffte ein Plus von 0,4 Prozent.

Das relativ gute Abschneiden der deutschen Wirtschaft wird sich aber in den beiden Winterquartale voraussichtlich nicht fortsetzen. "Die zuletzt eingebrochenen Frühindikatoren deuten darauf hin, dass die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal kaum noch wachsen, vielleicht sogar schrumpfen wird," sagte, Jörg Krämer. Auch Kai Carstensen rechnet mit sehr schwachen Winterquartalen. Für das Gesamtjahr 2012 erwartet er allerdings keine Rezession.


Wackelige Exporte

Anlass zur Sorge geben allerdings die neuesten Zahlen vom ZEW-Index. Wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim am heutigen Dienstag mitteilte, fiel der Index im November zum neunten Mal in Folge auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2008. Der Index nahm um 6,9 Punkte ab und erreichte minus 55,2 Punkte. Die Schuldenproblematik im Euroraum und in den Vereinigten Staaten lege sich "wie Mehltau" auf die Konjunktur, erklärte ZEW-Präsident Wolfgang Franz.

Zum deutschen Wirtschaftswachstum im dritten Quartal trugen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vor allem gestiegene Konsumausgaben und Ausrüstungsinvestitionen bei. Im zweiten Quartal hatte sich der Konsum noch überraschend schwach entwickelt. Carstensen begründete den Anstieg mit der günstigen Lohn- und Beschäftigungsentwicklung. Außerdem habe es im Sommer eine Rentenerhöhung gegeben. "Die allgemeine Verunsicherung durch die Schuldenkrise wirkt sich erst mit Verzögerung auf den privaten Konsum aus", sagte Carstensen.

Die Industrie dagegen spürt die Schuldenkrise und die weltweite Konjunkturabkühlung bereits: Sie erhielt zuletzt deutlich weniger Aufträge aus der Währungsunion, in die etwa 40 Prozent ihrer Ausfuhren gehen. Auch aus Übersee lässt die Nachfrage nach. Die meisten Konjunkturprognosen gehen bislang jedoch davon aus, dass die deutschen Exporte weiter wachsen. Der Sachverständigenrat rechnet in seinem Jahresgutachten mit einem Wachstum der Exporte um 4,8 Prozent.

Die kritische Annahme hierfür ist allerdings, dass die Schuldenkrise auf den Euroraum beschränkt bleibt und die Schwellenländer weiter wachsen.

"Momentan hat niemand einen Abschwung in den Schwellenländern auf dem Radar," sagte Kai Carstensen. Wenn die Schwellenländer weiter wachsen, könnten sie die Einbußen bei den Exporten in die Eurozone kompensieren. Grade deutsche Exportgüter wie Autos und Maschinen sind dort besonders gefragt. Zwar haben auch Länder wie Indien oder China ihr Wachstum zuletzt etwas gedrosselt, doch es liegt nach wie vor auf einem hohen Niveau.

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