Robert Solow Der Entdecker des Wachstums

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Verschiedene Typen von Kapital

Die Harvard Univerity zeichnete Solows Promotion über Einkommensverteilung als beste wirtschaftswissenschaftliche Doktorarbeit aus - Solow holte sich nie sein Preisgeld ab. Quelle: dpa/dpaweb

Doch leider erklärt das Modell nicht, wie der technische Fortschritt in die Wirtschaft kommt. Er fällt bei Solow wie „Manna vom Himmel“, kritisierte einst die englische Ökonomin Joan Robinson. Doch dieser Mangel bewirkt, dass über Solows Modell unter Ökonomen erst recht viel geredet wird: Während Theoretiker jahrzehntelang daran herumtüftelten, wie die Lücke zu schließen sei, setzt sich ein fester Begriff für technischen Fortschritt als Restgröße durch: das „Solow-Residuum“.

Solow war auch der Erste, der ein Modell mit verschiedenen Typen von Kapital entwarf. Die Idee dahinter: Neues Kapital ist wertvoller als altes. Das Kapital wird durch bekannte Technologien produziert. Doch diese Technologien werden kontinuierlich verbessert. Folglich ist das Kapital, das zu einem späteren Zeitpunkt mit einer besseren Technologie erzeugt wurde, produktiver und wertvoller.

Engagierter Lehrer

Doch Solow fasziniert nicht nur als Denker, sondern auch als Lehrer. Der amerikanische Finanz- und Wachstumsökonom Edwin Burmeister, der 1962 und 1963 bei Solow studiert, erinnert sich: „Noch ein halbes Jahr nach der letzten Seminarsitzung bekam ich Post von Solow.“ In diesem Brief korrigiert und kommentiert Solow ein kleines Modell über technischen Wandel, das der Student Burmeister entwickelt hat.

Der Professor hat ein Auge für junge Talente: So fördert er etwa den jungen Peter Diamond, der 2010 Nobelpreisträger wird. Star-Ökonomen wie George Akerlof, Jagdish Bhagwati, Robert Gordon und Joseph Stiglitz haben bei Solow studiert. „Ich schätze, wenn ich mich nicht um die Studenten gekümmert hätte, hätte ich 25 Prozent mehr wissenschaftliche Aufsätze geschrieben. Doch die Wahl fiel mir leicht, ich bereue es nicht“, sagt Solow.

Der große Ökonom ist kein Sklave seiner Modelle. Zwar zeigt er, dass Konjunktur – sprich: Schwankung der Nachfrage – nicht das ist, was die Wirtschaft langfristig bewegt. Trotzdem setzte sich Solow, ganz in der Tradition des MIT, in den frühen Sechzigerjahren als Berater von Präsident John F. Kennedy für eine aktive Konjunktursteuerung in den USA ein.

Immer wieder gerät er deswegen unter Beschuss, nimmt aber immer wieder voll Freude die polemische Auseinandersetzung mit seinen konservativen Kritikern auf: „Das Beste was man über Reaganomics sagen kann, ist, dass sie durch Unaufmerksamkeit zustande kam“, ist so ein Ausspruch Solows.

Kampf mit den Ökopessimisten

Gleichfalls legt sich Solow mit den Ökopessimisten des Club of Rome an. Die Untergangspropheten der Siebzigerjahre können Solow sowieso nicht leiden, weil er behauptet, natürliche Ressourcen seien vollkommen durch Kapitaleinsatz und technologische Neuerungen ersetzbar. Sie werfen ihm vor, er arbeite mit Zaubertricks und mathematischen Spielchen und vernachlässige die Realität.

Als durch den ersten Bericht des Club of Rome 1972 und die Ölpreiskrise von 1973 die Diskussion über die Endlichkeit der Ressourcen hochkocht, konzipiert Solow eine Theorie der intergenerationellen Ressourcenallokation. Dabei knüpft er an den amerikanischen Philosophen John Rawls an, der soziale Gerechtigkeit als einen Zustand definiert, mit dem jeder Mensch einverstanden sein könnte, auch ohne zu wissen, wo sein eigener konkreter Platz in der Gesellschaft ist. Solow wendet das auf das Verhältnis der Generationen zueinander an und fordert, dass der Pro-Kopf-Konsum im Zeitablauf mindestens konstant bleiben soll.

Solow begründet seine These so: „Teilweise, weil ich Rawls gelesen habe, teilweise, um der Richtung und dem Zungenschlag eines populären Arguments zu erwidern, und teilweise, weil ich den naiven Voraussagen des Club of Rome einfach widersprechen wollte.“

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