Russlandkrise treibt Energiepreise „Russland hat Interesse daran, dass der Ölpreis hoch bleibt“

Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef des Münchner ifo Instituts. Quelle: imago images

Die militärische Eskalation in der Ukraine und weiter steigende Energiekosten werden den Aufschwung in Deutschland nicht abwürgen, sagt der Konjunkturchef des Münchner ifo Instituts. Voraussetzung: das Ende der Corona-Auflagen in Handel und Dienstleistungssektor.

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Timo Wollmershäuser ist Konjunkturchef des Münchner ifo Instituts.

WirtschaftsWoche: Herr Wollmershäuser, die Coronakrise geht, die Ukrainekrise kommt. Was bedeutet das für die deutsche Konjunktur?
Timo Wollmershäuser: Die Eskalation in der Ukraine bringt natürlich Gegenwind für die Konjunktur, gerade wegen der Ungewissheit über die künftigen Gas- und Öllieferungen der Russen und die weitere Entwicklung der Energiepreise. Niemand weiß derzeit, wie die Krise weiter gehen wird und welches Ausmaß die Sanktionen des Westens haben werden. Diese Unsicherheit belastet die Wirtschaftsakteure, die mit Russland direkt oder indirekt zu tun haben. Bislang gehe ich aber davon aus, dass der Aufschwung in Deutschland nicht in Gefahr ist. Seit der Krim-Annexion ist der Anteil deutscher Warenexporte nach Russland auf gerade einmal zwei Prozent gesunken, von zuvor über drei Prozent. Damit haben die damaligen Sanktionen nach unseren Schätzungen die deutsche Wirtschaftsleistung nur um 0,16 Prozent gesenkt.

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Kriegsgefahr, Omikron, Inflation: Wie kann man da noch optimistisch sein?
Derzeit wirken gegenläufige konjunkturelle Kräfte – und die positiven Effekte durch das Abflauen der Pandemie dürften stärker sein als die negativen Effekte durch die Ukrainekrise. Wenn sich die aufgestauten Konsumwünsche der Bürger ab dem Frühjahr entladen und das Dienstleistungsgewerbe wieder auflagenfrei agieren kann, wird das Wirtschaftswachstum deutlich zulegen. Bis vor Kurzem sind wir noch von einem Wirtschaftswachstum von über 3,5 Prozent in diesem Jahr ausgegangen. Selbst weiter steigende Energiepreise können diesen Aufschwung nicht zum Erliegen bringen.

Wirklich? Manche Experten halten mittlerweile einen Ölpreis von 100 Dollar und mehr für denkbar.
Ich auch. Diese Marke ist ja nicht mehr sonderlich weit entfernt. Man darf auch nicht vergessen, dass Russland eine gewichtige Rolle im Kartell der Opec-Plus-Staaten spielt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Russland dort für eine preissenkende Ausweitung der Produktionsmengen stimmen wird. Der Export von Erdöl ist eine der wenigen Einnahmequellen, über die der russische Staat verfügt. Daher hat er ein großes Interesse daran, dass der Ölpreis hoch bleibt – erst Recht, wenn der Westen scharfe Sanktionen verhängt. Natürlich belasten steigende Energiekosten die Unternehmen weltweit. Die gute Nachricht im Schlechten ist allerdings, dass alle Unternehmen gleichermaßen betroffen sind, da gibt es keine energiepreisbedingten Wettbewerbsverzerrungen.

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Wie stark wird die Ukrainekrise die Inflation in Deutschland anheizen?
Die meisten Inflationsprognosen gehen derzeit noch davon aus, dass die Energiepreise in diesem Jahr nicht weiter steigen werden. Daher dürften sie die Lage wohl eher unterzeichnen. Im Gefolge der Ukrainekrise könnte sich Energie nur noch weiter verteuern, und das schlägt sich natürlich auch in den Verbraucherpreisen nieder.

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Die Hoffnung, dass die Inflationsrate in Deutschland im Jahresschnitt unter vier Prozent oder gar unter drei Prozent liegt, ist nach der Eskalation in der Ukraine eher unwahrscheinlich. Wenn es schlecht läuft, steht am Ende sogar eine Fünf vor dem Komma. Ich habe gerade neue Unternehmensbefragungen auf den Tisch bekommen. Diese zeigen, dass die Betriebe in fast allen Branchen weitere Preiserhöhungen planen.

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