Schuldenspirale

Dr. Yellen oder wie wir lernen, die Schulden zu lieben

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Große Notenbanken zaudern

Diese Überlegung verdeutlicht das Dilemma der Notenbanken. Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank droht schon seit mehr als einen Jahr mit einer Zinsanhebung. Doch bislang konnte sie sich nicht zur Umsetzung ihrer Drohung durchringen. Ein ähnliches Vorgehen ist bei der Bank of England zu beobachten. Das Zaudern der großen Notenbanken ist auf die Sorge zurückzuführen, dass Zinsanhebungen die Schuldentragfähigkeit der Wirtschaft schwächen werden. Möglicherweise sogar so sehr, dass das aktuelle Verschuldungsniveau nicht mehr tragbar ist.

Der Instrumentenkasten der EZB

Aber ist es tatsächlich so, dass die Zinsen, nachdem sie historische Tiefststände erreicht haben, auch wieder steigen müssen? Richtig ist, dass eine zu lange durchgehaltene Niedrigzinspolitik große Gefahren birgt. Wenn die Inflation sich dann schneller als erwartet beschleunigt, ist es nicht mehr mit kleinen Zinsschritten getan. In diesem Fall müssten die Notenbanken mit kräftigen Zinsanhebungen gegenhalten. Und das würde unvermeidlich eine starke Abkühlung der Weltwirtschaft auslösen.

Die entscheidende Frage ist daher: Wie groß ist die Gefahr einer Inflationsbeschleunigung? Zurzeit ist die Inflation – bedingt vor allem durch den Ölpreis – fast überall niedrig. Das Wirtschaftswachstum und die Lohnentwicklung deuten ebenfalls nicht auf eine Inflationsbeschleunigung. Aktuell sind die Notenbanken noch nicht gezwungen, mit dem Zinsanhebungszyklus zu beginnen.

Normalisierung um das Jahr 2020

Solange die Inflation nicht deutlich über die Zielgröße der Notenbanken von rund zwei Prozent steigt, ist es vertretbar, auf Zinsanhebungen zu verzichten. Die Hoffnung ist, dass die weltweite Schuldenlast durch eine maßvolle Inflation langsam abgebaut wird. Solange Wirtschaftswachstum und Lohnentwicklung moderat bleiben, kann man argumentieren, dass das Risiko eines plötzlichen und starken Anstiegs der Inflationsraten nicht so hoch ist, dass es in den Überlegungen der Notenbanken Priorität haben müsste. Diese Notenbankpolitik könnte bis zum Ende des laufenden Zyklus durchgehalten werden.

Dies würde bedeuten, dass eine Normalisierung des Zinsniveaus erst um das Jahr 2020 vollzogen wäre. Erst im nächsten Wachstumszyklus, könnte die Notenbankpolitik dann wieder zu einer normalen, "lehrbuchmäßigen" Zinspolitik zurückkehren.

Doch für die Notenbanken ist eine solche Politik eine Gratwanderung. Einerseits ist die Gefahr einer schnellen Inflationsbeschleunigung niemals vollständig zu leugnen, und damit die Gefahr, dass die notwendigen starken Gegenmaßnahmen die Weltwirtschaft abermals destabilisieren würden. Andererseits, wenn die Notenbanken diese Politik erfolgreich umsetzen, hätten wir die Möglichkeit, die in der Wirtschaftskrise entstandenen Ungleichgewichte langsam abzubauen und mit einer gesunden Wirtschaftsstruktur den nächsten Aufschwung zu beginnen.

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