Serie Frühindikatoren (II) Konsumklima: GfK-Index soll besser werden

Der Konsum-Indikator des Marktforschungsunternehmens GfK ist in Deutschland konkurrenzlos, aber nicht unumstritten. Jetzt soll eine Revision her.

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WirtschafsWoche-Serie: Frühindikatoren

Rolf Bürkl, 52, hat selten Ärger im Job. Aber Weihnachten 2013 war übel. Da stand er auf einmal am Pranger. Der versammelte deutsche Einzelhandel klagte an: Herr Bürkl, sie haben uns tolle Umsätze versprochen. Und jetzt sind sie sogar schlechter als 2012!

Mein Haus, mein Auto, mein Index: GfK-Mann Rolf Bürkl Quelle: dpa Picture-Alliance

Bürkl arbeitet bei der GfK, der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg. Neben Hunderten nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Verbraucherbefragungen präsentiert die GfK einmal im Monat ihren Konsumklimaindex. Seit 22 Jahren gibt es den schon, und seit 22 Jahren kümmert sich Rolf Bürkl darum. Rolf Bürkl, Mr. Konsumklima? „Das klingt mir zu eindimensional“, sagt Bürkl, schließlich mache er auch ein paar andere Dinge.

Neues Projekt

Jede Woche schickt die GfK gut 600 Interviewer raus ins Land, befragt rund 1.000 Konsumenten in persönlichen Gesprächen. Mal werden die Konsumenten gefragt, ob sie ein bestimmtes Waschmittel kennen, mal, ob sie die neue Schlemmerwurst schon probiert haben. Doch bevor es in die Details geht, wird Grundsätzliches geklärt. Planen Sie demnächst größere Anschaffungen? Wie wird sich das Gehalt in den kommenden zwölf Monaten entwickeln? Wie schätzen Sie die Wirtschaftslage ein? Die Ergebnisse dieser Fragen werden dann zusammengetragen und landen – genau! – bei Rolf Bürkl.

Der macht daraus das „GfK-Konsumklima“, das jeweils zum Monatsanfang vorhersagt, wie sich die Verbraucher in den folgenden Wochen verhalten werden. Der Konsumklimaindex ist auch Grundlage für die deutsche Komponente des EU-Verbrauchervertrauens, das die EU-Kommission ermittelt.

Die Arbeitslosigkeit sinkt weiter, Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung steigen. Zugleich sind deutlich mehr Stellen ausgeschrieben als im Vorjahr. Gute Aussichten.

Angefangen hat das Ganze 1991, Bürkl weilte gerade für die Hanns-Seidel-Stiftung, die Parteistiftung der CSU, in Namibia. Weit weg von allem, doch dann erreichte ihn dieser Anruf. Am Apparat ein Kommilitone, der nach dem volkswirtschaftlichen Diplom die Promotion draufgesetzt hatte. Jetzt entwickelte er für die GfK einen Frühindikator, aufbauend auf der nur beschreibenden Verbraucherstimmung. Rolf, bist du dabei?

War er. Ein paar Monate tüftelten die beiden vor allem an der Auswahl geeigneter Einflussgrößen. Regressionsanalysen zeigten schließlich drei Ausschläge: Sparneigung, individuelle Einkommenserwartung und Anschaffungsneigung.

Auf den Punkt

Ein paar Monate später war Bürkl zurück in Nürnberg, der Index ging an den Start. „Der Indikator funktioniert mit einem Vorlauf von rund einem Monat sehr gut.“ Deshalb wird nicht bei jeder der wöchentlichen Fragerunden das Konsumklima erfasst, sondern nur in den ersten beiden Wochen eines Monats. Wenn der Index dann am Monatsende veröffentlicht wird, soll er die Stimmung auf den Punkt treffen.

Der Druck ist immens

Dennoch ist die Aufmerksamkeit der Märkte für den GfK-Index eher begrenzt. Nicht immer passen die Werte des Indikators und die realen Einzelhandelsumsätze widerspruchsfrei zusammen.

Einmal im Jahr schaut das Land dennoch nach Nürnberg. Ende November, wenn Bürkl an der Pressemeldung für den Dezember feilt. Dann bangen und hoffen die deutschen Einzelhändler, denn die Hälfte ihrer Jahresumsätze machen sie direkt vor Weihnachten. Da kann die Stimmungslage schon mal über Existenzen entscheiden.

2013 sagte Bürkl, die Deutschen seien in Shoppinglaune, der Konsum werde wachsen. Umso größer der Kater, als im Januar die offiziellen Zahlen folgten: Die Deutschen hätten im Dezember weniger Geld ausgegeben als im Vorjahr, teilte das Statistische Bundesamt mit. „Zahlen aus Wiesbaden werden oft als amtliche Endergebnisse verstanden“, wendet Bürkl ein. Dabei stimme das so nicht: Weil das Amt seine Zahlen möglichst schnell veröffentlichen soll, fließen nicht alle Branchen ein. Zudem kann das Amt seine Daten nachträglich beliebig oft korrigieren. Schaut man auf die revidierten Werte, zeigt sich, dass die GfK-Prognose oft näher an der Wahrheit ist als die frühen Zahlen aus Wiesbaden.

GfK-Konsumklima in Punkten. (zum Vergrößern bitte anklicken)

Auf das Bundesamt schimpfen will Bürkl dennoch nicht. Der Druck sei immens, so früh verlässliche Zahlen zu liefern kaum möglich. Außerdem verweist er auf methodische Unterschiede: Während bei Bürkls Frage nach geplanten Anschaffungen nicht nur Autos oder Kühlschränke, sondern auch Wohnungen und Häuser Erwähnung finden, laufen Immobilienkäufe in Wiesbaden unter einer ganz anderen Kategorie.

Wie aussagekräftig sind Frühindikatoren wirklich? Wie entstehen sie - und welche bewegen die Märkte am meisten? Eine neue Serie der WirtschaftsWoche stellt die wichtigsten Konjunkturbarometer vor.

Dennoch ist Bürkl sich bewusst, dass der GfK-Indikator seine Schwächen hat. In den vergangenen Jahren wurden viele Ausschläge beim Verbraucherverhalten nicht vorhergesehen. Die GfK wird den Index daher im Sommer einer Revision unterziehen.

Fakt ist: Die deutschen Konsumenten haben sich in den vergangenen 20 Jahren verändert. „Gesamtwirtschaftliche Aspekte wie Preiserwartungen und Arbeitslosigkeit spielen eine größere Rolle“, sagt Bürkl. Zumindest eine der Größen soll in Zukunft in den Indikator einfließen. Die Sparneigung, die laut GfK an Prognosekraft verloren habe, soll dafür weichen. Mal schauen, ob Bürkls nächstes Weihnachtsfest dann entspannter wird.

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