Bei erschöpfbaren Ressourcen funktioniert der Markt anders. Ein Minenbesitzer etwa muss sich entscheiden, ob er seinen Rohstoff schon heute aus dem Boden holt (und den aktuellen Preis kassiert) oder auf höhere Preise wartet (und den Rohstoff im Boden lässt). "Wenn ein Minenbesitzer zu schnell produziert, wird er den Preis drücken. Wenn er zu langsam produziert, könnten seine Profite, obwohl höher, zu weit in die Zukunft verlagert werden. Wo ist seine goldene Mitte?", fragt Hotelling. Diese goldene Mitte beschreibt er mathematisch mit einem Arbitrage-Kalkül: Verkauft ein Minenbesitzer seine Reserven heute, wird er seine Profite anlegen und sein Vermögen nach dem aktuellen Zinssatz vermehren. Lässt er sie unter der Erde, profitiert er von der Preisentwicklung. Die Anbieter suchen folglich nach einem optimalen Abbaupfad, bei dem sie den Ressourcenabbau über die Zeit so verteilen, dass sie den aus heutiger Sicht maximalen Gewinn erzielen. Verfährt jeder Anbieter so, wird der Preis der Ressource im Marktgleichgewicht mit dem Zinssatz ansteigen.
Das Gleichgewicht auf Märkten für endliche Ressourcen funktioniert somit wie auf Kapitalmärkten: Der Rohstoff im Boden ist ein Kapitalgut. Um ihn dort zu lassen, muss er mindestens die gleiche Rendite bringen wie andere Anlagegüter. Mehr noch: Weil jede abgebaute Einheit einer Ressource wie eine Abschreibung auf das Vermögen wirkt, verlangen die Anbieter dafür zusätzliches Geld.
Dies ist als Schattenpreis oder Hotelling-Rente bekannt geworden. Anders als bei gewöhnlichen Produzenten setzen sich die Kosten der Rohstoffbranche aus zwei Teilen zusammen: den Förder- oder Abbaukosten plus den Opportunitätskosten. Je weniger Rohstoffe übrig sind, desto höher die Opportunitätskosten.
Beispiel Saudi-Arabien: Hier kostet die Förderung des am einfachsten zugänglichen Öls nicht mehr als vier Dollar pro Barrel (159 Liter). Selbst beim aufwendig zu fördernden kanadischen Ölsand liegen die Produktionskosten nur noch um die 20 Euro. Auf dem Weltmarkt bezahlen Nachfrager für ein Fass Rohöl momentan aber zwischen 85 und 100 Dollar. Ein großer Teil der Differenz ist der Preis der Knappheit - die Hotelling-Rente.
Beim Öl ging das Spiel so richtig mit den Preisschocks der Siebzigerjahre los. Bis dahin hatten die Ölstaaten die Hoheit über das schwarze Gold gegen eine Gewinnbeteiligung von 10 bis 20 Prozent an einige wenige Ölkonzerne abgetreten. Aus Angst, die Knebelverträge könnten nicht lange halten, förderten die Ölriesen jahrzehntelang, so viel es nur ging. Die Folge waren Niedrigstpreise.
Das Kalkül ging auf
Die Ölkonzerne behielten recht, die Verträge wurden aufgelöst, Ölfelder verstaatlicht, und die Erdöl produzierenden Länder wurden selbst Herr über ihre Schätze unter dem Wüstensand. Fortan standen Staaten wie Saudi-Arabien für die Minenbesitzer in Hotellings Preismodell: Das Öl im Boden war ihr Vermögen, die Zinsen zur damaligen Zeit niedrig - es war somit attraktiver, weniger Öl zu fördern als die Konzerne zuvor und auf steigende Preise zu spekulieren. Das Kalkül ging auf, der Ölpreis stieg erst über zehn Dollar und 1979 gar auf mehr als 40 Dollar.
Allerdings stiegen die Ressourcenpreise nicht auf Dauer exponentiell an, wie es nach der Hotelling-Regel hätte passieren müssen. Wie der kanadische Ökonom Gérard Gaudet aufzeigt, schwankten die Preissteigerungsraten von Zink, Kupfer, Kohle, Öl oder Gas um den Nullpunkt. Mal stiegen die Preise für einige Zeit deutlich an, dann fielen sie wieder. Schon 1963 zeigten die US-Forscher Harold Barnett und Chandler Morse, dass die Preise einiger Ressourcen - darunter Eisen, Kupfer, Silber und Holz - gar über lange Zeit fielen.