Signal der Bank of England Großbritannien steuert auf Zinssenkung am Jahresende zu

Erst im Juni senkte die britische Notenbank den Leitzins so tief wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Nun dürfte bald die nächste Rekordmarke reißen: Experten rechnen mit einer weiteren Absenkung im Dezember.

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Eine Mehrheit im geldpolitischen Komitee der BoE liebäugle mit einer Zinssenkung, so Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe. Quelle: Reuters

London Angesichts unsicherer Konjunkturaussichten nach dem Brexit-Schock stehen die Zeichen in Großbritannien auf Zinssenkung. Die Währungshüter in London signalisierten am Donnerstag, dass sie den Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld noch 2016 erneut kappen könnten. Sie beließen ihn einstweilen auf dem Rekordtief von 0,25 Prozent. Experten rechnen nun damit, dass er im November auf 0,1 Prozent gesenkt wird – das niedrigste Niveau in der mehr als 300-jährigen Geschichte der Bank of England (BoE). Nach dem Anti-EU-Votum vom Juni hatten die Währungshüter um BoE-Chef Mark Carney die Zügel erst Anfang August gelockert.

Derzeit herrscht Unsicherheit, ob Großbritannien künftig noch Zugang zum EU-Binnenmarkt haben wird. Auch die Notenbank befürchtet, dass die Konjunktur unter den Folgen des Brexit-Votums leiden wird. „Die Mehrheit im geldpolitischen Komitee flirtet weiter mit einer Leitzinssenkung“, sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. Wie aus den Protokollen der Sitzung hervorgeht, sind die meisten Mitglieder bereit, noch dieses Jahr für eine weitere Senkung die Hand zu heben – vorausgesetzt, die Konjunkturaussichten trüben sich wie erwartet ein.

Die BoE geht derzeit allerdings davon aus, dass im Sommerquartal ein kleines Wirtschaftswachstum von 0,3 Prozent herausspringen wird. Damit ist sie eine Spur optimistischer als noch im August, als lediglich 0,1 Prozent veranschlagt wurden. Sollte sich die aktuelle Prognose bewahrheiten, würde das Plus beim Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorquartal halbiert.

Zuletzt zeigte sich ein gemischtes Bild: Die Einzelhändler mussten kaum Umsatzeinbußen hinnehmen und auch der Arbeitsmarkt erwies sich als robust. Doch die Industrieproduktion ging im Juli mit 0,9 Prozent so stark zurück wie seit einem Jahr nicht mehr. Zudem fielen die Häuserpreise im August den zweiten Monat in Folge.

In der Finanzmetropole London herrscht Sorge, dass der Standort nach dem britischen Austritt aus der EU an Bedeutung verlieren könnte. Die Banker werden wegen der Folgen des geplanten Austritts zunehmend nervös. Sie fürchten, dass die Frist zur Umstellung der Geschäftsmodelle zu knapp bemessen ist. Für die Verhandlungen zwischen der EU und der britischen Regierung, die wohl erst 2017 beginnen werden, sind zwei Jahre vorgesehen.

Um die von solchen Sorgen belastete Wirtschaft anzukurbeln, hatte die BoE die Geldschleusen im August kräftig geöffnet und ihr Staatsanleihen-Kaufprogramm um 60 Milliarden auf 435 Milliarden Pfund (514 Milliarden Euro) aufgestockt. Am Donnerstag tastete sie es nicht an. „Ganz offensichtlich glauben die Zentralbanker, dass die bisherigen Schritte Zeit benötigen, um die gewünschte Wirkung zu entfalten. Zudem will man das wenige noch vorhandene geldpolitische Pulver nicht voreilig verschießen“, sagte Ökonom Tobias Basse von der NordLB.

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