So entwickelt sich die Weltwirtschaft Wie die USA den Rest der Welt abhängen

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Frankreich und Großbritannien

Frankreich

4,3 – 0,9 – 10,1: Traummaße einer Volkswirtschaft sehen anders aus als die französischen für 2015. Laut den jüngsten Prognosen der OECD wird Frankreichs Neuverschuldung nur geringfügig von 4,4 auf 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken. Das ist weit oberhalb des Limits der Euro-Länder von drei Prozent. Das Wirtschaftswachstum wird zwar doppelt so hoch ausfallen wie 2014. Allerdings wird auch das zu wenig sein, um eine Wende auf dem Arbeitsmarkt herbeizuführen.

Finanzminister Michel Sapin jettet derweil durch Europa, um bei den Regierungen für eine Investitionspolitik zur Ankurbelung des Wachstums zu werben. Die Malaise Frankreichs hat besondere Brisanz, schließlich ist das Land die zweitgrößte Volkswirtschaft in der EU. Mathilde Lemoine, Ökonomin bei HSBC France, spricht inzwischen von einem „systemischen Risiko“ ihres Landes für den Euro. Die Ratingagentur Fitch hat Frankreichs Bonität kurz vor Jahresende um eine Stufe auf AA heruntergestuft. Auch Standard & Poor’s könnte demnächst erneut den Daumen senken – wie bereits im Januar 2012 und im November 2013. Die EU-Kommission hat Paris unter Androhung von Milliardenstrafen eine letzte Frist bis März gegeben, um in den Haushalt 2015 weitere Reformen und Sparmaßnahmen einzufügen. „Kürzungen von 15 bis 20 Milliarden Euro sind nicht genug“, kritisiert Peter Jarret, für Frankreich zuständiger Ökonom bei der OECD. So könne das Land die öffentlichen Ausgaben an vielen Stellen viel aggressiver kürzen, ohne das Wachstum zu bremsen, indem es zum Beispiel die Zahl der Gemeinden verringern würde.

Doch selbst Minimalreformen wie die Lockerung der sonntäglichen Öffnungszeiten drohen am Widerstand des linken Flügels der Sozialisten im Parlament zu scheitern. Die Regierung hofft noch, dass sich 2015 zumindest die Steuergutschriften für Unternehmen bemerkbar machen, mit denen die im Vergleich hohen Sozialabgaben kompensiert werden sollen. Eine Trendumkehr ist das aber noch lange nicht.

Großbritannien

Der Fokus der britischen Wirtschaft wird sich 2015 ein paar Kilometer nach Osten verschieben. Statt auf die Finanzindustrie, deren Heimat die City of London ist, wird im nächsten Jahr das ganze Land in Richtung Westminster schauen, wo das Parlament tagt. Im Mai wählen die Briten eine neue Volksvertretung, und danach dürfte vieles schwieriger werden. Ein Wahlsieg der Tories würde 2017 zu einem Referendum über die weitere EU-Mitgliedschaft führen. Sollten die Konservativen aber keine Mehrheit erlangen, droht ein politisches Patt. Aus Sicht der Wirtschaft sind beide Szenarien gleichermaßen schlecht.

Kompliziert macht die Lage zudem das hohe Haushaltsdefizit von mehr als fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Um dies abzubauen, wird die künftige Regierung kräftig sparen oder Steuern erhöhen müssen. Seit 2010 hat das Land bereits Ausgaben in Höhe von 35 Milliarden Pfund gekürzt. Doch nach Rechnung des Institute for Fiscal Studies müssten in der nächsten Legislaturperiode weitere 55 Milliarden Pfund eingespart werden. Die Staatsausgaben würden damit auf das niedrigste Niveau seit den Dreißigerjahren fallen.

In den Wachstumszahlen spiegelt sich all das bisher kaum wider. Die Regierung rechnet 2015 mit einem niedrigeren, für europäische Verhältnisse aber nach wie vor hohen Anstieg der Wirtschaftsleistung von 2,4 Prozent. Mit aktuell sechs Prozent liegt die britische Arbeitslosenquote derweil auf dem tiefsten Stand seit 2008.

Doch Löhne und Gehälter sind in den vergangenen Jahren langsamer gestiegen als die Inflation, der private Konsum wurde daher teilweise auf Pump oder durch Auflösung von Spareinlagen finanziert. Nach Angaben der Nationalen Statistikbehörde liegen die Reallöhne in einigen Regionen noch deutlich unterhalb des Niveaus von 2008. Wegen der geringen Teuerungsrate von einem Prozent im November, der schwachen Konjunktur auf dem Kontinent und des weiterhin strikten Sparkurses dürfte die Bank of England die Leitzinsen von 0,5 Prozent frühestens im Herbst 2015 anheben. Selbst das wäre angesichts der hohen Verschuldung der privaten Haushalte riskant. Schon eine Erhöhung in kleinen Schritten könnte wegen der in der Regel flexibel verzinsten Hypothekenkredite einen signifikanten negativen Einfluss auf das verfügbare Einkommen der Verbraucher haben. Und der Konsum ist aktuell der entscheidende Antrieb für die Wirtschaftsentwicklung.

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