So entwickelt sich die Weltwirtschaft Wie die USA den Rest der Welt abhängen

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Japan

In Japan steht die riskante Wirtschaftspolitik des Regierungschefs Shinzo Abe vor der entscheidenden Bewährungsprobe. Vor zwei Jahren hatte Abe die Notenbank auf einen extrem expansiven Kurs eingeschworen, um endlich die Deflation zu überwinden, die das Land seit inzwischen fast zwei Jahrzehnten lähmt. In einer vorgezogenen Neuwahl hat Abe sich diesen Kurs gerade erst bestätigen lassen, die Bank of Japan wird daher weiter extrem viele Staatsanleihen kaufen, um ihr Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen.

Doch 2014 ist diese Rechnung nur teilweise aufgegangen. Die Verbraucherpreise legten zwar erstmals seit 2000 über einen längeren Zeitraum zu, weil die expansive Geldpolitik den Yen geschwächt und dadurch importierte Waren verteuert hat. Auch Löhne und Gehälter stiegen erstmals seit 2008 wieder. Doch die kräftige Anhebung der Mehrwertsteuer im April trieb die Preise so hoch, dass die realen Einkommen sanken und die Haushalte sparten. Ein Abschwung war die Folge. Unterm Strich verzeichnete Japan eine stagnierende Wirtschaftsleistung bei steigenden Preisen. Wegen dieser Stagflation hat Abe die geplante zweite Erhöhung der Mehrwertsteuer um anderthalb Jahre auf das Frühjahr 2017 verschoben. So rechnen viele Ökonomen für das neue Jahr mit einem realen Wachstum von bis zu 1,5 Prozent.

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Entscheidend wird jedoch sein, ob Löhne und Gehälter schneller steigen werden als die Lebenshaltungskosten. Auch die Arbeitslosenquote von aktuell 3,5 Prozent und der Überhang an offenen Stellen sollten zu einem Anstieg der Realeinkommen beitragen. Dies, so die Hoffnung, werde dann endlich den Kreislauf aus mehr Konsum, höheren Gewinnen und daraufhin steigenden Investitionen in Gang setzen.

Im idealen Szenario von Notenbankchef Haruhiko Kuroda wird sich das wirtschaftliche Verhalten in Japan durch die Rückkehr der Inflation von Grund auf verändern: In Erwartung einer Geldentwertung würden die Bürger ihr Bargeld in den Konsum stecken und die Unternehmen ihre Reserven von umgerechnet 1400 Milliarden Euro in Produktionsanlagen und Beschäftigung investieren. Würden diese privaten Überschüsse in die Wirtschaft fließen, könnte die Regierung ihr massives Haushaltsdefizit und damit auch die Verschuldung senken. Konsumbremsende Steuererhöhungen wären nicht mehr notwendig. Doch dieses ideale Szenario dürfte sich 2015 nur ansatzweise erfüllen.

Wegen der hohen Schuldenquote von mehr als 240 Prozent des Bruttoinlandsprodukts kann die Regierung Abe den Haushalt nicht weiter aufblähen. Dieser Konjunkturimpuls bleibt also aus. Dazu steigen die Einkommen wahrscheinlich nicht so stark wie erwartet, was wiederum den Konsum bremsen dürfte. Höhere Löhne können sich bisher nur die Unternehmen mit Auslandsgeschäft leisten, denen der schwache Yen steigende Gewinne beschert hat. Doch 80 Prozent der Unternehmen leben vom Binnenmarkt und leiden unter der Teuerung von importierten Materialien. Für höhere Löhne haben sie keinen Spielraum. Darüber hinaus bringen die von der Regierung versprochenen Strukturreformen erst einmal wenig. Zwar wird der Steuersatz für Unternehmen möglicherweise schon ab April sinken, aber zugleich werden Schlupflöcher geschlossen. Andere Vorhaben wie Freihandelsverträge und Sonderwirtschaftszonen lassen sich nur langsam umsetzen.

Solange sich also am grundlegenden Misstrauen der Japaner in ihre Staatsführung nichts ändert, könnte sich die milde Stagflation fortsetzen. Eine Staatsschuldenkrise ist in Japan nahezu ausgeschlossen, da die Staatsanleihen fast ausschließlich von Inländern und der Zentralbank gehalten werden. Im besten Fall gibt es einen kleinen Aufschwung, doch mit dem rechnen offenbar selbst die Japaner nicht wirklich.

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