So entwickelt sich die Weltwirtschaft Wie die USA den Rest der Welt abhängen

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Türkei und Brasilien

Türkei

Zum Jahresende stellt die Weltbank den Türken ein freundlich klingendes Zeugnis aus: „Mit stetigem Wachstum über Jahrzehnte und einem heutigen Pro-Kopf-Einkommen um 10.500 Dollar im Jahr ist die Türkei nur wenige Jahre vom Übergang zum wohlhabenden Land entfernt, falls die hohen Wachstumsraten anhalten.“ Der Makel der Analyse: Für anhaltend hohes Wachstum spricht derzeit wenig.

Der stellvertretende Ministerpräsident Ali Babacan, wichtigster Wirtschaftspolitiker der Regierung, hatte im Oktober das Wachstumsziel für 2014 von 4,0 auf 3,3 Prozent gesenkt. Derweil werden Wachstumserwartungen regelmäßig unterboten. Für 2015 Jahr rechnen türkische Volkswirte mit einer schwachen Erholung, für den Optimismus der Regierung sehen viele keinen Grund.

Der Istanbuler Ex-Banker und Publizist Emre Deliveli begründet seine Skepsis mit dem jüngsten Kurswechsel der Regierung. Vizepremier Babacan hatte sich lange auf den Kampf gegen das anhaltende Leistungsbilanzdefizit des Landes – derzeit rund sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts – konzentriert. Er setzte auf die Exportförderung und die Zügelung des stark wachsenden privaten Konsums; Letzteres sogar gegen den Widerstand des mächtigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seit Kurzem verkündet Babacan nun aber, die Inflationsbekämpfung sei wichtiger als eine Verbesserung der Leistungsbilanz.

„Der private Konsum der Türken wächst weiter, dafür stagniert jetzt der Export“, sagt Deliveli. Letzteres hat auch mit dem schwachen Wachstum in Europa und dem Wegbrechen der Märkte in Syrien und in Ägypten zu tun.

Zusätzlich bedroht wird das Vertrauen der Investoren in jüngster Zeit von Nachrichten über Regierungswillkür und Korruptionsaffären. Staatspräsident Erdogan und seine Gefolgsleute gefährden damit die wirtschaftliche Erfolgsstory ihrer bisherigen Regierungszeit. Nach einer Umfrage des Unternehmerverbandes Tüsiad vertritt inzwischen jeder zweite türkische Unternehmer die Ansicht, die Korruption im Land werde immer schlimmer. Das heimische Missmanagement ist damit inzwischen das größte Problem der türkischen Wirtschaft – noch vor der Konjunkturflaute in Südeuropa und dem Chaos in den nahöstlichen Nachbarstaaten.

Brasilien

Erst brachen die Eisenerzpreise ein, dann die Notierungen für Soja und Zucker – schließlich lahmte die gesamte Wirtschaft. 2014 hat sich gezeigt, dass Brasiliens Ökonomie nach wie vor massiv von einer Handvoll Rohstoffen abhängt. In den vergangenen zehn Jahren hatten die Einnahmen aus den Exporten dieser Rohstoffe vieles ausgeglichen, zuletzt die Stagnation des brasilianischen Binnenmarktes. So entstand die Illusion einer selbsttragenden Volkswirtschaft. Jetzt bleiben die Einnahmen aus – und die Illusion verpufft.

Zwar profitieren die Brasilianer noch von der insgesamt sinkenden Arbeitslosigkeit. Doch die Löhne werden 2015 kaum wachsen. Zudem sind die Konsumenten hoch verschuldet. Genau wie der Staat: Die stark gewachsenen Staatsausgaben will die wiedergewählte Regierung jetzt zwar beschneiden, doch das bremst zusätzlich die Konjunktur. Auch die Zentralbank hält an den hohen Zinsen fest, um die Inflationsrate in den Griff zu bekommen, die zuletzt auf deutlich mehr als sechs Prozent angestiegen ist. Nun soll die Teuerung auf gut fünf Prozent sinken. Deswegen hat die Zentralbank die Zinsen auf 11,75 Prozent erhöht. Das aber wird auch die Investitionsfreude der Unternehmen dämpfen. Einziger Lichtblick: Die Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen fließen weiter und schmälern das Defizit in der Leistungsbilanz. Doch ob ausländische Konzerne in Brasilien auch künftig so viel investieren werden, ist offen: Der Binnenkonsum ist schwach, und das macht den Markt für internationale Konzerne zunehmend unattraktiv.

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