Nein, überrascht war Konrad Beugel über die Nachricht nicht, dass Erlangen in der Gunst der Hochqualifizierten vorne liegt. Der Leiter des Referats Wirtschaft und Finanzen der Stadt Erlangen kennt die Vorzüge seiner Heimat und weiß: „Wir haben viele Arbeitgeber, die fast ausschließlich Akademiker beschäftigen." Das gelte nicht nur für Unternehmen. Neben der Friedrich-Alexander-Universität hat Erlangen zahlreiche Forschungsinstitute wie das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen zu bieten. Auch die Max-Planck-Gesellschaft und die Helmholtz-Gesellschaft sind in Erlangen vertreten. Das lockt viele Hochschulabsolventen in die mittelfränkische Stadt.
Hohe Nachfrage trotz vieler Akademiker
Dass Erlangen die deutschlandweit höchste Akademikerquote hat, führt Beugel auf die hohe Nachfrage nach qualifiziertem Personal zurück. „Viele Unternehmen klagen immer noch darüber, dass sie nicht genug qualifiziertes Personal finden“, sagt er. „Wenn ein Akademiker seinen Job wechseln möchte, muss er nicht den Standort wechseln.“
Das Städteranking von WirtschaftsWoche und Immobilienscout 24 vergleicht nicht nur, wie viele Akademiker wo leben. In die Bewertung fließt auch ein, wie viele Einwohner in Forschung und Entwicklung, als Ingenieure und in wissensintensiven Dienstleistungen arbeiten. Zu letzteren gehören unter anderem Unternehmensberatungen und Steuerberater, aber auch hochspezialisierte technische Dienstleister. Die attraktivste Stadt für Akademiker ist Erlangen. Hier leben wenig mehr als 100.000 Menschen – und fast jeder Dritte hat einen Hochschulabschluss. Gemessen an der Einwohnerzahl hat Erlangen damit die höchste Akademikerquote in Deutschland. Dahinter folgen Darmstadt, Wolfsburg und München. Platz fünf belegt Stuttgart.
Erlangen baut wissensintensive Dienstleistungen rasant aus
Die Stadt Erlangen hat für ihre Akademikerquote konsequent Vorsorge geleistet. Vor zehn Jahren eröffnete sie mit der örtlichen Sparkasse und dem Freistaat Bayern ein Gründerzentrum für Medizin- und Pharmaunternehmen. 2007 ist es noch einmal erweitert worden. Seitdem ist die Zahl der Beschäftigten in solchen wissensintensiven Dienstleistungen um 11,2 Prozent gewachsen – so viel wie in keiner anderen deutschen Stadt im gleichen Zeitraum. Weit abgeschlagen auf Platz zwei zeigt das Dynamikranking Darmstadt mit lediglich 3,8 Prozent.
Erlangen steht mit seinem Netzwerk allerdings nicht alleine da. Die Stadt ist eingebettet in das „Medical Valley“, ein Netzwerk aus Medizintechnikunternehmen. Dort arbeiten rund 45.000 Mitarbeiter in über 500 Unternehmen.
Universitäten als Akademikermagnet
Für mittelgroße Städte – mit einer Einwohnerzahl zwischen 100.000 und 250.000 – spielen Universitäten eine entscheidende Rolle. „Die Mischung aus Universitätsstadt und großen Unternehmen macht mittelgroße Städte attraktiv für Akademiker“, sagt Daniel Schiller, Wirtschaftsgeograph am Niedersächsischen Institut für Wirtschaftsforschung (NIW).
Das zeigt auch das Städteranking: Die zehn besten Städte im Vergleich haben eine oder mehrere Hochschulen vor Ort. Eine Ausnahme bildet lediglich Wolfsburg auf Platz drei des Rankings. Die Stadt in Niedersachsen hat lediglich den Ableger der Ostfalia-Hochschule. Die meisten Akademiker kommen vor allem wegen des Automobilkonzerns VW - vor allem natürlich Ingenieure.
Autobauer oder Universität
Jeder zehnte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hat einen Abschluss als Ingenieur. In der Audi-Stadt Ingolstadt, die im Vergleich der kreisfreien Städte auf Platz zwei landet, sind es lediglich 6,4 Prozent. Dahinter auf den Plätzen drei und vier kommen im Vergleich Erlangen und Stuttgart.
Auch bei dem Anteil der Beschäftigten im Bereich Forschung und Entwicklung liegt Wolfsburg vorne. Ganz anders sieht es allerdings bei den wissensintensiven Dienstleistungen aus. Hier belegt Wolfsburg den vorletzten Platz im Ranking. Das zeigt deutlich, wie stark die Stadt auf den Automobilkonzern VW angewiesen ist.
Akademiker ins Headquarter
Um Akademiker anzuziehen, sei es aber nicht nur wichtig, dass Unternehmen vor Ort seien, betont NIW-Experte Schiller. Für Hochschulabsolventen seien vor allem Standorte mit „Headquarter-Funktion“ interessant. Im Gegensatz zu Produktionsstandorten würden hier vor allem Akademiker beschäftigt, so Schiller.
Bekanntestes Beispiel dafür ist Siemens, das in Erlangen rund 25.000 Mitarbeiter in den Sparten Industrie, Energie und Gesundheit beschäftigt. Von hier aus werde laut Unternehmen ein Drittel des weltweiten Umsatzes erwirtschaftet. Produziert wird in Erlangen allerdings nur wenig. Im September kündigte Siemens an, etwa 500 Millionen Euro in einen Siemens Campus in der Stadt zu investieren.
Die Verlierer des Städterankings
So groß das Wachstumspotenzial an der Spitze des Städterankings – am unteren Ende ist die Situation verfahren. Die Verlierer des Städterankings sind die Städte Hamm, Gelsenkirchen und Bottrop. Die ehemaligen Kohleindustrie-Standorte können Akademiker nur schwer überzeugen. In Bottrop sind 6,4 Prozent der Einwohner Akademiker, in Hamm liegt der Wert bei 8,1.
Die kreisfreien Städte haben in den letzten sechs Jahren im Durchschnitt 3,1 Prozent Akademiker dazugewonnen. Das liegt nicht nur an der Anziehungskraft der Städte, sondern auch an der weit verbreiteten Landflucht, so Wirtschaftsgeograph Schiller. Gelsenkirchen und Bottrop konnten davon allerdings nicht profitieren. Hier wuchs die Zahl der Akademiker nur um 0,1 und 0,7 Prozent.
Eigene Akademiker heranziehe
Grundsätzlich gilt: Hat eine Stadt viele Abiturienten, ist die Wahrscheinlichkeit, dass dort viele Akademiker leben besonders hoch. Für Erlangen ist auch das Teil des Erfolgskonzepts. Das Bayerische Staatsinstitut für Hochschulforschung stellt in einer Studie fest, dass mehr als die Hälfte der bayerischen Abiturienten in ihrem Regierungsbezirk bleibt. Erlangen, wo mehr als sechs von zehn Schulabgängern ein Abitur gemacht haben, zieht sich so seinen eigenen akademischen Nachwuchs heran.
Die Miete spielt nur eine untergeordnete Rolle
Das Städteranking zeigt einen weiteren Vorteil mittelgroßer Städte. Zwar liegen die ersten drei Plätze Erlangen, Darmstadt und Wolfsburg mit durchschnittlichen Mietpreisen pro Quadratmeter zwischen 7,90 Euro und 8,53 knapp über dem Mittelwert aller kreisfreien Städte. Im Vergleich mit München und Frankfurt ist die Miete dort aber immer noch ein Schnäppchen.
.