
Gelsenkirchen, Ludwigshafen, Osnabrück, Chemnitz: Die Städte, denen IW-Consult die größte Attraktivität als Unternehmensstandort attestiert, sind nicht gerade die üblichen Kandidaten für Lobhudeleien. Dennoch machen sie eine entscheidende Sache richtig: „Hier finden Unternehmen optimale Bedingungen zur Ansiedlung von Produktionsstätten, das ist gerade für Städte mit Problemen extrem wichtig“, sagt IW-Experte Michael Bahrke. Wo die Wirtschaft selbst nicht stark genug ist und es keine eigenständige unternehmerische Dynamik gibt, besteht darin fast die einzige Hoffnung, den Arbeitsmarkt in Schwung zu bringen. „Wenn eine Stadt erst mal einen Ruf wie München hat, spielt die Gewerbesteuer kaum noch eine Rolle“, so Bahrke, „für Gelsenkirchen hingegen kann sie die entscheidende Stellschraube sein.“
Das Ranking, das in den Worten der Forscher „Kostenattraktivität“ heißt, umfasst Standortfaktoren, die sich direkt in der Bilanz eines Unternehmens niederschlagen. Dazu zählen neben Kosten für behördliche Leistungen Gewerbemieten, die Produktivität der Arbeitskräfte am Standort und die Höhe der Gewerbesteuer.





Besonders interessant ist der Vergleich von Kommunen in ähnlichen Ausgangslagen. Beispiel Gelsenkirchen: Die Stadt im nördlichen Ruhrgebiet, wo der unbewältigte Strukturwandel die größten Verwerfungen hinterlassen hat, belegt in der Niveauwertung den letzten Platz. Im Gegensatz zu den unmittelbar davor platzierten Nachbarorten Herne und Duisburg attestieren die Wissenschaftler der Stadt jedoch Erfolg versprechende Bemühungen auf dem Weg aus dem Tal.
Halber Lohn
Die ansässigen Unternehmen beurteilen die Kosten für behördliche Leistungen mehrheitlich (56,3 Prozent) als angemessen, das ist der viertbeste Wert aller Kommunen. Duisburg und Herne landen mit Werten von unter 40 Prozent auch hier auf den hinteren Rängen. Ähnlich das Bild bei der Produktivität, die von den Forschern als BIP pro Erwerbstätigen gemessen wird. Hier liegt Gelsenkirchen zwar weit hinter den Spitzenreitern Düsseldorf und Frankfurt, landet mit gut 63 000 Euro pro Kopf aber immerhin auf Rang 19, die zweitbeste Platzierung aller Ruhrgebietsstädte. Andere Problemkandidaten wie Herne oder Oberhausen bringen es nur auf einen Wert von 55 000 Euro, unterboten nur von ostdeutschen Städten. Diese können aber nach wie vor Sondereffekte geltend machen, schließlich ist das Lohnniveau, unabhängig von der Qualifikation, im Osten nach wie vor deutlich unterdurchschnittlich.
Wie deutlich, das zeigt der Vergleich der Arbeitskosten. Hier belegen die sieben ostdeutschen Städte im Ranking auch die ersten sieben Plätze. Das macht sie für Unternehmen attraktiv, heißt aber auch: Ein Arbeitnehmer in Magdeburg verdiente 2010 mit 29 021 Euro im Schnitt 60 Prozent weniger als sein Kollege in Frankfurt oder Stuttgart. Die höchsten Arbeitskosten weist übrigens Rankingsieger Ludwigshafen auf. Produktivität, Mietniveau und behördliche Kosten sind hier jedoch so vorteilhaft, dass sie sogar das durch den Chemiegiganten BASF in die Höhe getriebene Lohnniveau kompensieren können.