Starker Euro, schwacher Export? Reißt der starke Euro deutsche Unternehmen in die Krise?

Der niederländische Elektronikkonzern Philips meldet schwache Quartalszahlen. Er begründet das vor allem mit Währungseffekten. Droht nun auch deutschen Exportstärken wie Daimler, BMW oder Siemens der Absturz?

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Der niederländische Elektronikkonzern meldet schwache Quartalszahlen und begründet diese vor allem mit dem starken Euro. Quelle: dpa

Philips-Aktionäre dürften die Euro-Münzen in ihrem Geldbeutel heute mit gemischten Gefühlen betrachten. Mit über sieben Prozent Kursverlust startete die Philips-Aktie am Dienstag in den Handel, weil der niederländische Elektronikkonzern schwache Zahlen vermeldete. Der Umsatz ist im ersten Quartal um fünf Prozent gesunken, der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) brach gar um 26 Prozent ein. Und der Grund dafür? Vor allem der starke Euro, sagt Philips.

Droht deutschen Unternehmen nun das gleiche Schicksal? Schließlich hat der Euro seit Juli 2012 (und damit seit der Rede von EZB-Präsident Mario Draghi, er werde alles tun, den Euro zu bewahren) massiv zugelegt. Damals mussten europäische Unternehmen in Dollar nur 1,20 verkaufen, um in der heimischen Kasse auf einen Euro Umsatz zu kommen. Jetzt ist dafür schon ein Umsatz von 1,38 Dollar nötig (plus 14 Prozent). Grob vereinfacht betrachtet müsste ein komplett in Euro-Ländern hergestelltes Produkt in Dollar jetzt also 14 Prozent teurer sein, damit Umsatz und Gewinn nicht sinken. Und der Dollar ist nicht die einzige Währung, die zum Euro abgewertet hat. Auch der von der EZB berechnete handelsgewichtete Euro-Kurs - der die Währungskurse von 20 Euro-Handelspartnern mit deren Handelsanteilen berücksichtigt - ist seit Juli 2012 immerhin um 10,8 Prozent gestiegen. Es erscheint logisch, dass das den Export abwürgt.

Deutschlands wichtigste Handelspartner
Russische Föderation Quelle: dpa-tmn
Belgien Quelle: REUTERS
Die Schweizer Landesfahne weht am Großen Aletschgletscher Quelle: ZB
Die Österreichische Flagge Quelle: dpa
assanten und Fahrzeuge passieren in Rom das Kolosseum Quelle: dapd
Lichtereines vorbei fahrenden Busses strahlen vor dem Big Ben in London Quelle: Reuters
Eine US-Flagge weht vor der Freiheitsstatue Quelle: REUTERS

Tatsächlich hätte Philips den Umsatz im Vergleich zum Vorjahresquartal immerhin stabil gehalten, wenn die Währungskurse sich nicht verändert hätten. Und der euro-verhagelte Jahresstart ist für die Philips-Aktionäre ein Déjà-Vu: Schon 2013 hatte Philips weltweit eigentlich Waren im Gegenwert von drei Prozent mehr als 2012 verkauft. In der heimischen Kasse, in Euro geführt, wurde daraus aber ein um ein Prozent geschrumpfter Umsatz. Andererseits hat Philips auch mit rein unternehmerischen Problemen zu kämpfen. Da kann der starke Euro eine willkommene Erklärung für die schwache Geschäftsentwicklung sein: Wir sind nicht schuld, Draghi ist schuld!

Philips-Probleme sind jedenfalls kein Vorbote einer großen Euro-Gefahr für deutsche und andere europäische Unternehmen. Das liegt an verschiedenen Effekten:

  • Globalisierung. Die Vorstellung, deutsche Arbeiter würden in deutschen Fabriken mit deutschen Einzelteilen zum Beispiel deutsche Autos zusammenbauen und diese dann in der ganzen Welt in der dortigen Währung verkaufen, hat mit der Realität nichts mehr zu tun.

Beispiel: BMW. Noch ist zwar das bayerische Dingolfing das größte BMW-Werk. Aber nicht mehr lange. BMW baut derzeit sein Werk in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina massiv aus und will es zur größten Produktionsstätte des Konzerns machen. Schon jetzt wird nur noch etwa jedes zweite von BMW verkaufte Auto in Deutschland hergestellt.

Längst ist das Phänomen, nicht nur den Absatz, sondern auch die Produktion weltweit aufzustellen, auch nicht mehr den großen Konzernen vorbehalten. Mittlere und kleinere Unternehmen mischen mit. Der Stapler-Hersteller Jungheinrich etwa führt auf der Liste seiner Werke nicht nur die deutschen Standorte Lüneburg, Landsberg, Norderstedt, Moosburg, Dresden und Degernpoint, sondern eben auch das chinesische Qingpu und produziert dort vor allem für den asiatischen Markt.

Wechselkurseffekte

Welche Branchen optimistisch in die Zukunft blicken
Branchenausblick Logistik 2014 Quelle: dpa
Branchenausblick Maschinenbau 2014 Quelle: dpa
Branchenausblick IT 2014 Quelle: dpa
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Branchenausblick Luftfahrt 2014 Quelle: dpa
Branchenausblick Chemie 2014 Quelle: dpa
Branchenausblick Gesundheitswirtschaft 2014 Quelle: dpa

Längst haben solche ausländischen Produktionsstätten nicht mehr (nur) mit den niedrigeren Produktionskosten vor Ort zu tun, sondern sind die klare Strategie, möglichst nahe an den Absatzmärkten zu produzieren. Im Zweifel muss auch gar nicht die komplette Produktion verlagert werden. Oft stammen, zum Beispiel im Maschinenbau, sowieso viele Einzelteile nicht aus Deutschland und werden dann nur hier zusammengesetzt. Werden Einzelteile aus Nicht-Euro-Ländern gekauft, können die bei einem stärkeren Euro günstiger gekauft werden.

Im betriebswirtschaftlichen Jargon wird von Natural Hedging gesprochen. Dahinter verbirgt sich die Strategie, Wechselkurseffekte nicht durch komplizierte Finanzgeschäfte abzusichern, sondern durch die Aufstellung des Unternehmens: Was in Dollar verkauft wird, soll möglichst auch in Dollar produziert werden - oder andersherum. So kann nicht durch Wechselkurseffekte aus einem profitablen Geschäft plötzlich ein Verlustbringer werden.

  • Absicherung. Neben diesem Natural Hedging setzen weltweit agierende Konzerne aber natürlich auch weiter auf Finanzgeschäfte, um sich vor den Folgen von Währungskursschwankungen zu schützen. So hieß es zum Jahresende 2013 bei Daimler etwa im Geschäftsbericht: "Für das Jahr 2014 haben wir bis Mitte Februar deutlich mehr als die Hälfte der Wechselkursrisiken abgesichert." Solche Absicherungsgeschäfte geben den Konzernen Planungssicherheit. Sie sind aber kostspielig und werden bei starkem Euro tendenziell noch teurer.
  • Anpassung. Die deutsche Exportwirtschaft ist es durchaus gewohnt, dass ihre Währung sich zum Beispiel im Vergleich zu den USA verteuert. Seit 1955 war das - abgesehen von kurzen Ausnahmen wie 80 bis 85 und 95 bis 2002 - die Regel. Trotzdem ist der Export in die USA nicht eingebrochen, ganz im Gegenteil. 2013 waren die USA für Deutschland immer noch der zweitwichtigste Handelspartner (nach Frankreich) beim Export. Exportunternehmen reagieren zwar auf die Währungskursentwicklung: Sie bauen die Geschäftsbeziehungen zu anderen Ländern aus, verlagern die Produktion und sichern sich mit Finanzgeschäften ab. Vom Export abhalten lassen sie sich aber nicht. Langfristige Trends in den Wechselkursen stören sie daher auch weniger als heftige, kurz- und mittelfristige Schwankungen.

Zur Einordnung ist es auch gut zu wissen, dass der Euro derzeit noch keinesfalls auf Rekordniveau notiert. Der handelsgewichtete Euro-Kurs zu den 20 wichtigsten Handelspartnern steht derzeit knapp neun Prozent unter dem Niveau von Ende 2008. Und der Euro-Dollar-Kurs stand im Frühjahr 2008 schon mal fast 16 Prozent höher.

Fazit: Auch die deutschen Unternehmen werden in ihren Quartalsberichten von ungünstigen Wechselkurseffekten berichten. Miese Ergebnisse muss das aber noch lange nicht bedeuten.

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