Stelter Strategisch

Die Notenbanken und der nackte Kaiser

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Direkte Staatsfinanzierung durch Notenbank

Schön für die EZB, dass sie angesichts des Konfliktes weiter in ihrer Rolle als Retterin des Euro und Meisterin der magischen Illusion bestärkt wird. Denn darauf läuft es letztlich hinaus. Die Illusion, die wir alle so sehr genießen, lässt sich nur durchhalten, wenn die Banken und ihre Gläubiger gerettet und zugleich der deutsche Steuerzahler nicht belastet wird.

Geldpolitik der EZB: Entlastungen durch Niedrigzinsen


Dies wird nur gehen, wenn die EZB – wie auch immer verschleiert und versteckt – den italienischen Banken und dem Staat hilft. Wer wird schon protestieren, wenn die EZB den Banken die faulen Kredite abkauft, versehen mit einer Garantie des bankrotten italienischen Staates und diese bis zum 500. Geburtstag des Euro in der Bilanz hält? Die Politiker – auch die deutschen, wenn man von ein paar unverbesserlichen „Der Kaiser ist nackt“-Rufern wie Peter Gauweiler und Frank Schäffler absieht – sicherlich nicht.

Wo waren denn die Proteste, als die irische Notenbank dem Staat 2013 mit frisch gedruckten Euro Staatspapiere im Volumen von rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) abgekauft hat? Das war nichts anderes als direkte Staatsfinanzierung durch die Notenbank. Der EZB-Rat hat dieses Handeln damals nur „zur Kenntnis“ genommen. Wenig verwunderlich, war es doch ein Grund, weshalb Irland heute von der Politik als gelungenes Beispiel der Sanierung innerhalb des Euro dient.

Wo waren denn die Proteste, als die griechische Notenbank im Zuge der Krise Anfang 2015 mit umfangreichen Notkrediten an die lokalen Banken die massive Kapitalflucht deckte, ebenfalls mit expliziter Duldung aus Frankfurt? Auch damals wurden Milliarden an neuen Euro geschaffen, ohne dass diesen die entscheidende Grundlage gegenüberstand: werthaltige Sicherheiten.

Das Spiel funktioniert offensichtlich. Wir wollen daran glauben, dass unsere Vermögen sicher sind. Wir wollen daran glauben, dass unsere Schuldner immer bezahlen. Wir wollen daran glauben, dass Hyperinflationen wie in der Weimarer Republik und Depressionen wie in den 1930er Jahren heute nicht mehr passieren können.

Die Wahrheit ist eine andere

In der Tat haben die Notenbanken seit 2009 eine neue große Depression verhindert. In der Tat ist von Inflation weit und breit nichts zu sehen. Und dies obwohl die Bilanzsummen der Notenbanken förmlich explodiert sind. Also ist es doch richtig, diese Geldpolitik zu betreiben, mangelt es doch nur an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage, so die Befürworter. Die Wahrheit ist eine andere. Das Kind würde heute laut rufen:

  • Dass die Nachfrage so tief ist, weil die Realwirtschaft weltweit schon unter einer untragbaren Schuldenlast leidet.
  • Dass die Preise nicht steigen, weil wir weltweit unter erheblichen – im Boom mit billigem Geld geschaffenen – Überkapazitäten leiden.
  • Dass überschuldete Schuldner zu jedem Preis verkaufen, nur um Liquidität zu beschaffen.
  • Dass deshalb der deflationäre Druck stärker ist als der inflationäre.
  • Dass die Politik des billigen Geldes immer aggressiver fortgesetzt werden muss, um das Schuldengebäude vor dem Einsturz zu bewahren.
  • Dass diese Politik allerdings mit erheblichen Nebenwirkungen einhergeht wie steigenden Vermögenspreisen und ertragsschwachen und damit immer kränkeren Banken.
  • Dass das Wachstumspotential der Realwirtschaft im Zuge dessen immer mehr zurückgeht.
  • Und wir damit in einer ökonomischen Eiszeit gefangen bleiben, die mit einem lauten Knall enden wird.

Wie der Knall aussieht, ist noch offen. Option 1: Aufgabe der Illusion; das bedeutet Konkurse, Schuldenschnitte und Rezession. Option 2: Vertrauensverlust in Geld; das bedeutet Chaos und Hyperinflation Zunächst wird, bildhaft gesprochen, folgendes passieren: Die Hubschrauber werden starten zum Abwurf des sogenannten Helikopter Geldes. Aber Achtung: Auch jeder noch so großartige Akt des Schauspiels kann die Desillusionierung am Ende nicht verhindern! Der Vermögenserhalt wird allerdings immer schwieriger. Meine Antwort hier.

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