Nancy Faeser gab sich wortkarg – zumindest bei einem Thema. Bei ihrem Grußwort auf der Jahrestagung des Beamtenbunds in Köln lobte die Bundesinnenministerin jüngst überschwänglich die Leistung des öffentlichen Dienstes. Zu dessen Bezahlung und der laufenden Tarifrunde bei Bund und Kommunen hatte Faeser hingegen nur einen lapidaren Satz mitgebracht: Sie sei „sicher, dass wir gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen“.
Kommende Woche muss die Ministerin deutlich detaillierter werden. Am 22. und 23. Februar treffen sich in Potsdam die Delegationen von Bund und Kommunen mit den Gewerkschaften Verdi und Beamtenbund, um über einen neuen Tarifvertrag für rund 2,5 Millionen Beschäftigte zu verhandeln. Gut einen Monat später kommt es dann zum tarifpolitischen Showdown: Sollte beim vorerst letzten terminierten Treffen Ende März kein Durchbruch gelingen, droht der Republik ein flächendeckender Arbeitskampf.
„Eine Eskalation im öffentlichen Dienst ist nicht auszuschließen“, sagt Yasmin Fahimi, die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Im WirtschaftsWoche-Podcast „Chefgespräch“ äußert die ehemalige SPD-Generalsekretärin Verständnis für die außerordentlich hohe Lohnforderung der Gewerkschaften von 10,5 Prozent und verweist auf die bestehende Lohnlücke im Vergleich zur Privatwirtschaft. Auch mache der Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst einen kräftigen Schluck aus der Pulle notwendig – nach Schätzung des Beamtenbunds fehlen den öffentlichen Arbeitgebern aktuell rund 360.000 Beschäftigte.
Vor diesem Hintergrund setzt die DGB-Chefin auf Verständnis bei den Bürgern (und Steuerzahlern), wenn Verdi & Co. hohe Lohnforderungen nicht nur aufstellen, sondern auch durch Streikaktionen durchzusetzen versuchen. „Wir sind in einer Situation, in der wir nicht nur in den Belegschaften sehr guten Rückhalt spüren, sondern auch in der Bevölkerung“, versichert Fahimi im WiWo-Podcast.
Die Frage ist nur: Wie lange hält das Wohlwollen der Bürger an? Die Stimmung in der Bevölkerung könnte schnell kippen, wenn gleichzeitig Mülltonnen überquellen, Kitas schließen und Busse und Bahnen in den Depots bleiben. Schon die bisherigen – sehr frühen – Warnstreiks haben vielerorts für Unmut gesorgt.
Aufgrund einer seltenen zeitlichen Parallelität verschiedener Tarifrunden droht Deutschland sogar ein regelrechter Streikfrühling des Grauens. Ende Februar beginnen parallel zum öffentlichen Dienst die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft EVG. Verdi und EVG haben bereits durchblicken lassen, ihre Streikaktionen zu koordinieren – was der Bonner Arbeitsrechtler Gregor Thüsing als „Strategie in einer rechtlichen Grauzone“ bezeichnet. Arbeitnehmer auf dem Weg ins Büro oder Kinder, die zur Schule müssen, können dann womöglich nicht mehr vom kommunalen ÖPNV auf die S-Bahn ausweichen – weil gar nichts mehr fährt oder rollt.
Endgültig in den gewerkschaftlich verordneten Stillstand könnte das Land rutschen, wenn auch an den Flughäfen nichts mehr geht: Derzeit laufen separate Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste und der Luftsicherheit an den Airports. Die aktuellen Warnstreiks an mehreren Flughäfen des Landes könnten nur ein kleiner Vorgeschmack auf das sein, was Reisende in den kommenden Wochen erwartet.
Briefe kommen dann wahrscheinlich auch nicht mehr an: Bei der Post AG hat Verdi eine bis zum 8. März laufende Urabstimmung über einen unbefristeten Flächenstreik eingeleitet.
Hier hören Sie den Podcast mit Yasmin Fahimi in voller Länge.