Systemkritik Kapitalismus in der Reichtumsfalle

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Das Problem: die Menschen kaufen zu wenig

Verbraucher bei einem Toys

Ist sie aber nicht. Egal, ob man den amerikanischen Laisser-faire-Kapitalismus betrachtet, den französischen Zentralkapitalismus oder das japanische Konsenssystem: Zieht man die Schulden ab, bleibt vom Wirtschaftswachstum nicht viel übrig.

An dieser Stelle muss man betonen, dass es hier nicht darum geht, das Schuldenmachen zu verurteilen. Im Gegenteil, Schulden gehören zum Wesen der Marktwirtschaft. Der Kapitalismus, wie wir ihn kannten, funktioniert so: Irgendjemand leiht sich Geld, sagen wir eine Million Euro, ob es der Staat ist oder ein Unternehmer, ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass er das Geld nutzt und damit Dinge produziert, die die Leute haben wollen. Dass er, sagen wir, die eine Million Euro in Stahl investiert, dass er davon Werkzeug kauft und Arbeiter bezahlt und am Ende eine Reihe Autos baut, die so gut sind, dass er sie für zwei Millionen Euro verkaufen kann.

So entstehen Mehrwert, Wohlstand, echtes Wirtschaftswachstum. So kommt die Reichtumsmaschine ins Laufen, so werden zehntausend Dinge zu zwanzigtausend.

Im Kapitalismus, wie wir ihn heute in den meisten hoch entwickelten Industrieländern erleben, leiht sich der Staat eine Million Euro, und es entsteht: kaum Mehrwert, kaum Wohlstand. Nur ein Mehr an Schulden.

Irgendetwas muss es geben auf der Welt, was die kapitalistische Maschine bremst. Dieses Etwas muss neu sein, denn vor wenigen Jahrzehnten ist die Wirtschaft in Deutschland, Japan und Amerika noch kräftig gewachsen. Es muss stark sein, stärker als der Schwung, den die kapitalistische Maschine durch die riesigen neuen Märkte in Osteuropa und Asien erhielt. Und es kann seinen Ursprung nicht in nationalen Eigenheiten haben, sonst wäre das Phänomen des Leerlaufs nicht in so vielen ungleichen Ländern gleichzeitig zu beobachten. Was also haben die Deutschen, Franzosen, Japaner und Amerikaner von heute gemeinsam?

Ihren Reichtum.

Wenn Wirtschaftsfachleute von Menschen sprechen, nennen sie diese oft nicht Menschen, sondern Konsumenten. Das hat seinen Sinn, denn das ist ihre Funktion im Wirtschaftskreislauf. Statt konsumieren kann man auch kaufen sagen. Früher, irgendwann einmal, bedeutete das dasselbe. Neu gekaufte Bücher wurden gelesen, neue T-Shirts getragen, mit neuem Spielzeug wurde gespielt.

Allerdings kostet das Zeit. Wenn der Durchschnittsdeutsche die 10.000 Dinge, die er inzwischen besitzt, alle erst einmal ausführlich benutzt, bleibt wenig Raum, um sich neue zu kaufen. Der Konsum, eigentlich essenziell für den Kapitalismus, wird dann zum Bremsklotz der Maschine. Denn damit die Wirtschaft wächst, müsste ständig neu gekauft werden.

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