Teuerungsrate Inflationsrate im Februar auf höchstem Stand seit fast einem Jahr

Nahrungsmittel verteuerten sich überdurchschnittlich: Sie kosteten 1,4 Prozent mehr als im Februar 2020. Quelle: obs

In Deutschland sind die Verbraucherpreise so stark gestiegen wie seit dem Beginn der Coronakrise nicht mehr. Wie geht es weiter? Ökonomen erläutern, was für und was gegen steigende Verbraucherpreise spricht.

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Die Verbraucherpreise in Deutschland sind im Februar wegen teurerer Nahrungsmittel und Kraftstoffe so stark gestiegen wie seit Beginn der Corona-Krise vor fast einem Jahr nicht mehr. Waren und Dienstleistungen kosteten im Schnitt 1,3 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Höher lag die Teuerungsrate zuletzt im März 2020 mit 1,4 Prozent. Ökonomen waren nur von 1,2 Prozent ausgegangen, nachdem die Inflationsrate im Januar noch 1,0 Prozent betragen hatte, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Nahrungsmittel verteuerten sich überdurchschnittlich: Sie kosteten 1,4 Prozent mehr als im Februar 2020. Die Energiepreise legten um 0,3 Prozent zu, nachdem sie im Januar noch um 2,3 Prozent gefallen waren. Dabei verteuerten sich Kraftstoffe wie Benzin in Bundesländern wie Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen.

Ein Grund dafür ist die seit Jahresbeginn geltende CO2-Abgabe aus dem Klimapaket, ein anderer die Aussicht auf eine bessere Weltkonjunktur nach der Corona-Rezession 2020. Preistreibend wirkt auch das Ende der temporären Senkung der Mehrwertsteuersätze, die in der zweiten Jahreshälfte 2020 von 19 auf 16 beziehungsweise von sieben auf fünf Prozent gesenkt wurden, um die Konjunktur anzukurbeln.

Experten zufolge könnte die Teuerungsrate ab Jahresmitte die Zwei-Prozent-Marke überspringen. Die Europäische Zentralbank (EZB) beobachtet die Entwicklung in Europas größer Volkswirtschaft genau, strebt sie doch für die Währungsunion mittelfristig einen Wert von knapp unter zwei Prozent an.

Viele Ökonomen rechnen damit, dass die Teuerung in den nächsten Monaten weiter anziehen wird. „Die Inflationsrate bleibt nicht auf Dauer so niedrig wie im vergangenen Jahr“, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann der „Augsburger Allgemeinen“. Was spricht für, was gegen steigende Verbraucherpreise? Ein Überblick.

Treiber der Inflation

Mehrwertsteuer: Seit dem 1. Januar 2021 gelten in Deutschland wieder die üblichen Mehrwertsteuersätze von 19 beziehungsweise 7 Prozent. Waren und Dienstleistungen werden also tendenziell wieder teuer. 2020 war die gegenläufige Entwicklung zu beobachten: Die sechsmonatige Senkung der Mehrwertsteuersätze vom 1. Juli an sowie ein kräftiger Rückgang der Energiepreise dämpften den Preisauftrieb. Mehrere Monate lag die Teuerungsrate in Deutschland unter der Nullmarke, heißt: Das Leben war zumindest in der Gesamtschau günstiger als ein Jahr zuvor. Mit der Senkung der Mehrwertsteuer auf 16 beziehungsweise 5 Prozent wollte die Bundesregierung in der Corona-Krise den privaten Konsum ankurbeln.

Nachgeholter Konsum: Im Krisenjahr 2020 hielten viele Menschen ihr Geld zusammen, Schließungen im Einzelhandel und Reisebeschränkungen bremsten den Konsum zudem. Die Sparquote in Deutschland stieg auf das Rekordhoch von 16,3 Prozent. Sobald Läden und Gaststätten wieder öffnen und es wieder mehr Möglichkeiten zu Reisen und Freizeitaktivitäten gibt, dürfte zumindest ein Teil des Konsums nachgeholt werden. Dies könnte „zu einem vorübergehenden Inflationsschub führen“, prognostizierte Nils Jannsen vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) Anfang Januar. Steigende Nachfrage könnte zumindest vorübergehend auch die Preise anziehen lassen.

CO2-Abgabe: Seit Anfang 2021 ist eine CO2-Abgabe von 25 Euro je Tonne ausgestoßenem Kohlendioxid (CO2) fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht. Das treibt die Preise fürs Heizen und Tanken nach oben. Indirekt dürften nach Einschätzung von Volkswirten damit auch Preise für andere Güter leicht steigen.

Rohstoffpreise: Corona bremste 2020 die Wirtschaft, die Nachfrage nach Rohöl sank. Öl verbilligte sich, das drückte die Preise für Heizöl und Kraftstoffe. Zuletzt zog der Ölpreis wieder an – nach Ansicht von Ökonomen kein kurzfristiger Trend. „Allein dies sorgt rein technisch dafür, dass die Veränderungsrate der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr über die Energiekomponente deutlich steigen wird“, erklärt die DZ Bank. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) rechnet wegen solcher „Basiseffekte“ 2021 mit mehr Inflation, wie Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel im Deutschlandfunk sagte: „Allerdings darf man diese kurzfristige Entwicklung eben nicht verwechseln mit einem anhaltenden Anstieg der Inflation.“

Bremser der Inflation

Lohnzurückhaltung in der Krise: Ein dramatischer Jobabbau ist vor allem dank Kurzarbeit bislang ausgeblieben. Dennoch ist die Arbeitslosigkeit gestiegen. Das schwächt die Verhandlungsposition von Gewerkschaften und Arbeitnehmern. Die Ökonomen der DZ Bank rechnen daher damit, „dass sich von der Lohnseite her wenig Kostendruck auf die Unternehmen und damit auf die Verbraucherpreise aufbauen dürfte“. Selbst bei einer vergleichsweise kräftigen Konjunkturerholung dürften die Produktionskapazitäten bis 2022 noch nicht ausgelastet sein.

Stärkerer Euro: Die Gemeinschaftswährung hat insbesondere gegenüber dem Dollar an Stärke gewonnen. Importe nach Deutschland können sich dadurch verbilligen. Rohöl und andere Rohstoffe werden weltweit in der US-Währung abgerechnet. „Auch der starke Euro begrenzt den Inflationsdruck“, argumentiert ING-Volkswirt Carsten Brzeski.

Digitalisierung und Globalisierung: Ökonomen sehen darin Gründe für die seit Jahren schwache Inflation. Die Globalisierung habe das weltweite Arbeitsangebot erhöht und die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer – und damit den Lohnanstieg – gebremst, sagte jüngst EZB-Direktorin Schnabel der österreichischen Zeitung „Der Standard“. Zudem habe die Informationstechnologie dazu geführt, dass die Transparenz bei Preisen und damit der Wettbewerb gestiegen sei. In der Corona-Krise beschleunigte sich die Digitalisierung. „Der Digitalisierungsschub wird die Inflation dämpfen“, prognostiziert Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Union Investment.

Welche Folgen hat die Geldflut von EZB und Staaten?

Das ist umstritten. Kritiker warnen schon länger vor Folgen der Geldschwemme für die Preisstabilität. Doch bisher gibt es keine Anzeichen, dass das viele billige Geld die Inflation anheizt. Vielmehr verfehlt die EZB trotz Nullzinspolitik und Wertpapierkäufen seit Jahren ihr Ziel einer mittelfristigen Jahresteuerungsrate von knapp unter zwei Prozent im Euroraum. Die DZ Bank sieht vorerst kaum Inflationsrisiken durch die Geldflut, ebenso wenig wie durch die gigantischen staatlichen Hilfsprogramme in der Corona-Krise.

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Langfristig könnte die demografische Entwicklung in Kombination mit der steigenden Geldmenge die Inflation allerdings anheizen. „Weil der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung sinkt, wird Arbeit knapper, was das Lohnwachstum und damit die Inflation erhöht“, erläutert Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. „Die seit einiger Zeit zu stark steigenden Geldmengen werden dann zu einer höheren Inflation führen, wenn die große demografische Wende zu einer nennenswerten Verknappung von Arbeit führt.“ Der Zeitpunkt sei aber schwer abzuschätzen.

Mehr zum Thema: Die Euro-Geldmenge wächst mit zweistelligen Raten. Das dürfte früher oder später auch die Güterpreise kräftig steigen lassen.

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