US-Geldpolitik Nächste Zinserhöhung der Fed in weiter Ferne

Das Brexit-Votum der Briten gibt der Fed schlagende Argumente an die Hand, den nächsten Zinserhöhung auf die lange Bank zu schieben. Der Schwarze Freitag wird den Währungshütern in Washington wohl den letzten Mut rauben.

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Die Fed-Chefin hatte zuletzt eingeräumt, dass ein Brexit auch den Konjunkturausblick in den USA eintrüben könnte. Quelle: AP

San Francisco Der EU-Austritt Großbritanniens verändert alles. Der sogenannte Brexit dürfte derart gewichtige Auswirkungen auf die Wirtschaft haben, dass die Zeichen selbst in den USA plötzlich nicht mehr auf Zinserhöhung stehen. Das überraschende Votum gibt der US-Notenbank Fed zumindest schlagende Argumente an die Hand, den nächsten Zinsschritt nach oben auf die lange Bank zu schieben. Der Schwarze Freitag an den großen Finanzplätzen der Welt von Tokio bis London wird Experten zufolge den ohnehin vorsichtigen Währungshütern in Washington jetzt den letzten Mut rauben. Zu riskant scheint derzeit eine Zinserhöhung, falls Großbritannien in die Rezession abrutschen und auch Europa wirtschaftlich leiden sollte.

Geht die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU mit dem weltweit wichtigen Handelsplatz London konjunkturell tatsächlich auf Talfahrt, dürfte dies auch die US-Exportwirtschaft treffen, warnt Ökonom Joe Gagnon vom Peterson Institute for International Economics. Eine Zinserhöhung im Juli sei daher definitiv vom Tisch: „Womöglich wird es dieses Jahr gar keine mehr geben“, prophezeit der Experte.

Fed-Chefin Janet Yellen hatte zuletzt eingeräumt, dass ein Brexit auch den Konjunkturausblick in den USA eintrüben könnte. Dass sich die einflussreichste Notenbank der Welt in ihren geldpolitischen Plänen durch Störfeuer von außen beeindrucken lässt, ist voriges Jahr schon deutlich geworden: Nach einem Börsenbeben in China bliesen die Währungshüter die fest ins Auge gefasste Zinswende im September kurzerhand ab. Erst im Dezember 2015 wagten sie dann einen Mini-Schritt nach oben, die erste Zinserhöhung in den USA seit fast zehn Jahren: Seither liegt der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld in einer Spanne zwischen 0,25 bis 0,5 Prozent - im historischen Vergleich noch immer ein extrem niedriges Niveau.

Angesichts einer Schwächephase der amerikanischen Wirtschaft zu Jahresbeginn und einem zuletzt enttäuschenden Stellenaufbau im Mai hat sich die Federal Reserve (Fed) gerade erst dazu entschieden, ihr Pulver trocken zu halten. Diese abwartende Haltung scheint plausibel: Auch wenn der nächste Arbeitsmarktbericht wieder besser ausfallen sollte, dürften die US-Währungshüter mit Blick auf die weltweiten Auswirkungen des Brexit weiter auf Nummer sicher gehen. Denn nach dem Votum für den EU-Austritt der Briten könnte es noch lange dauern, bis sich der Nebel lichtet.

Die schwierige Scheidung wird voraussichtlich mindestens zwei Jahre dauern. „Vor allem wird die nun bevorstehende Phase der Unsicherheit über die Modalitäten des Austritts die Kapitalmärkte belasten“, sagt Chefökonom Stefan Bielmeier von der DZ Bank. Die Fed müsse daher zunächst abwarten, ergänzt Roberto Perli vom Analysehaus Cornerstone Macro: „Es gibt einfach zu viele Unbekannte in der Gleichung.“ Zugleich darf sie nach Ansicht von Ökonom Gagnon allerdings nicht zulange abwarten, bis sich die Folgen des Brexit in ihrer ganzen Tragweite zeigen: „Die Notenbank kann ihre Zinspolitik nicht auf Jahre hinaus auf Eis legen.“

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