US-Notenbank Von der Angst getrieben

Notenbanken experimentieren mit immer wieder neuen geldpolitischen Instrumenten. Dabei werden sie von einer doppelten Angst getrieben – vor der nächsten Rezession wie auch vor Deflation, dem Sinken des Preisniveaus.

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Keine Veränderung des Leitzins: Fed-Chefin Janet Yellen. Quelle: AFP

Die japanische Notenbank hat sich ein neues Instrument ausgedacht. Sie will Staatsanleihen mit dem Ziel kaufen, den Zins der zehnjährigen Papiere bei null und den längerfristiger Bonds im positiven Bereich zu halten. Zwar ist der Kauf dieser Papiere nicht neu, die Art der Steuerung allerdings schon. Bisher haben die Japaner einfach gleichmäßig in einem bestimmten Volumen Papiere erworben. Künftig dosieren sie die Käufe gemäß ihrem Zins-Ziel.
Damit hat wieder eine Notenbank ein neues Instrument ausprobiert. Zuvor sind Japaner und Europäer mit der Innovation negativer Leitzinsen in unerforschtes Gelände vorgedrungen. Und die Amerikaner haben in den vergangenen Jahren Wertpapier-Ankauf-Programme zwar nicht erfunden, aber als erste in wirklich großem Maßstab mit weltweiten Konsequenzen angewendet. Zurzeit bedient die US-Notenbank (Fed) sich zwar wieder allein der Zinspolitik, dem traditionellen Mittel der Geldpolitiker. Sie tut das mit großer Vorsicht und ließ die Zinsen am Mittwoch daher unverändert, aber zugleich die Tür für eine Anhebung im Dezember offen. Doch in den vergangenen Monaten wird auch in den USA über negative Zinsen und neue Steuergrößen, etwa das nominale Wachstum (ausgewiesenes Wachstum plus Inflation), diskutiert.

Der große Gegner: Deflation

Hinter vielen dieser Experimente steckt die Angst. Die Notenbanken fürchten, dass ihnen die Mittel ausgehen. Dass sie, wenn es zu einer Rezession kommen sollte, mit leeren Händen dastehen und nicht mehr wirksam gegensteuern können. Verbunden damit ist die Angst, in eine Phase sinkender Preise zu rutschen. Japan steckt schon lange darin und versucht herauszukommen. Europa war zeitweise nahe dran. Aber auch in den USA ist die Agenda der Geldpolitiker seit der Finanzkrise zumindest hintergründig durch die Angst vor Deflation getrieben. Denn sinkende Preise erfreuen zwar die Sparer, erhöhen aber die Last der Schuldner. Wenn Sparer geschädigt werden, ist das ein Problem für sie und zudem ungerecht. Aber wenn Schuldner geschädigt werden, gerät das Finanzsystem ins Wanken. Außerdem macht Deflation die Anpassung von Preisen und vor allem auch Löhnen schwieriger.

Hintergrund dieser Probleme mit schwachem Wachstum und niedriger Inflation ist vielleicht bis zu einem gewissen Grad immer noch die Finanzkrise, die einen langen Prozess der Ent- und Umschuldung eingeleitet hat, der die Nachfrage schwächt. Dazu kommen aber auch andere Faktoren. Einmal die schwache Bevölkerungsentwicklung in den entwickelten Ländern, an der sich kurzfristig nichts ändern lässt. Und dann das schlechte Wachstum der Produktivität, das schwer zu deuten und einzuschätzen ist.


Stärkere Verflechtung der Märkte

Mit der Erweiterung des Instrumentariums hat sich auch der Aufgabenbereich der Notenbanken erweitert. In der Pressekonferenz am Mittwoch wurde Fed-Chefin Janet Yellen sogar gefragt, ob sie sich nicht stärker um eine bessere Bildung und Ausbildung der Amerikaner kümmern wolle, was zweifellos der wirtschaftlichen Entwicklung helfen würde. Sie lehnte das Ansinnen freundlich ab. Aber die Notenbanken sind längst nicht mehr nur für die Preisstabilität und – mehr oder minder explizit – für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung zuständig. De facto geht es auch um die Stabilität des Finanzsystems, die Europäische Zentralbank (EZB) steht auch für den Zusammenhalt des Euro-Raums. Hinzu kommt, dass sich Fed & Co wegen der immer stärker werdenden Verflechtung der Märkte nicht mehr wie früher allein auf die eigene Wirtschaft konzentrieren können, sondern die weltweiten Konsequenzen ihres Handelns berücksichtigen müssen, und sei es nur, weil daraus wieder Rückwirkungen auf die heimische Wirtschaft entstehen.

Die wachsenden Problembereiche der Geldpolitik und die immer wieder neuen Experimente zur Lösung dieser Probleme bergen eine Menge politischen Sprengstoff. Der frühere EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat oft betont, wie wichtig ihm der Rückhalt in der Bevölkerung ist. Zur Zeit der Bundesbank war er in Deutschland besonders hoch. Diese Institution galt als überparteilich und wurde dafür geschätzt.

Heute, wo Notenbanken die Bürger mit Niedrig- oder sogar Minuszinsen traktieren und mit gigantischen Summen am Kapitalmarkt jonglieren, besteht die Gefahr, dass sie sich immer mehr der Bevölkerung entfremden. Und das wiederum macht sie anfälliger für den Einfluss von Politikern, die von der Aufgabe der Notenbanken nichts verstehen, sie aber gerne als Zielscheibe von Kritik gebrauchen und ihnen am liebsten ins Handwerk pfuschen würden.

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