USA Warum Janet Yellen die mächtigste Frau der Weltwirtschaft wird

Ex-Notenbankchefin Janet Yellen soll amerikanische Finanzministerin werden. Quelle: dpa

Die ehemalige US-Notenbankpräsidentin Janet Yellen soll wohl Finanzministerin im Kabinett von Joe Biden werden. Ihr künftiger Kurs in der Finanzpolitik wird auch über den Kurs der Notenbank Fed entscheiden. Damit wird die Keynesianerin zur wichtigsten Person in der Weltwirtschaft.

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Es ist ein enger Kreis, aus dem sich die sogenannte internationale Finanzelite rekrutiert. Wer dort angekommen ist, darf sich sicher sein, dass er beruflich im schlimmsten Fall weich fällt. Denn es ist ein munteres Bäumchen-Wechsel-Dich-Spiel, das die Karrieren in den Kreisen der Hochfinanz prägt. Gestern noch Finanzministerin, morgen Notenbankchefin – oder umgekehrt. Ganz wie es beliebt und die politische Großwetterlage es gerade erfordert. Als Konstante im Wechselspiel der Posten und Organisationen aber bleiben: Die Macht, der Glamour, das Einkommen und der Hofstaat der Zuarbeiter. 

So gesehen darf sich Janet Yellen freuen, keine Ausnahme von der Regel zu sein. Die Professorin von der Universität Berkeley, die von 2014 bis 2018 der amerikanischen Notenbank Fed vorstand, wird – nach zweijähriger Pause – demnächst ihr Comeback auf der internationalen Bühne feiern. Wie US-Medien melden, hat der designierte US-Präsident Joe Biden Yellen in seinem Personaltableau für den Posten der Finanzministerin vorgesehen. Damit wäre die 74-Jährige die erste Frau auf diesem Posten, so wie sie schon die erste weibliche Besetzung an der Spitze der Notenbank war.

Das Amt des Finanzministers ist in Friedenszeiten der wichtigste Posten im Kabinett der größten Volkswirtschaft der Welt. Als Finanzministerin obliegt Yellen nicht nur die Aufsicht über die Einnahmen und Ausgaben des schuldenbeladenen Staatshaushalts. Sie muss auch die Interessen von Financial America gegenüber dem Ausland und in internationalen Organisationen vertreten.



Die Staatsschulden wachsen ungebremst 

Für die Finanzmärkte wird entscheidend sein, welchen Kurs Yellen in der Haushaltspolitik fährt. Denn damit steckt sie zugleich den Rahmen ab, in dem sich die Notenbank Fed bewegen kann. Unter Yellen hatte sich die Fed bemüht, zinspolitischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen und damit begonnen, die Leizinsen anzuheben. Das hatte ihr viel Ärger mit US-Präsident Donald Trump eingehandelt, der wegen seiner defizittreibenden Steuersenkungen kein Interesse an steigenden Finanzierungskosten hatte und Yellen bei erster Gelegenheit durch Jerome Powell ersetzte.

Dass Yellen in ihrer künftigen Rolle als Finanzministerin ähnliche Konflikte mit ihrem Nachfolger Powell bekommt, ist hingegen unwahrscheinlich. Denn unter dem Druck der Coronakrise ist die Fed auf einen superexpansiven Kurs eingeschwenkt, hat den Leitzins auf knapp über null Prozent gesenkt und den grenzenlosen Ankauf von Staatsanleihen zum neuen Normal der Geldpolitik erklärt. Angesichts der explodierenden Staatsschulden – sie werden nach Schätzung des IWF im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung von 104 Prozent im vergangenen Jahr auf 116 Prozent im Jahr 2024 steigen – ist ein Kursschwenk der Fed zu einer restriktiveren Geldpolitik mit höheren Zinsen nicht in Sicht.

Manche Ökonomen und Politiker setzen daher darauf, dass Yellen die günstigen Finanzierungskonditionen nutzt und – soweit der US-Senat mitspielt – billionenschwere Konjunkturprogramme auflegt, um die Coronakrise zu überwinden. Ein finanzpolitischer Wumms, so die Überlegung, nehme den Druck von der Fed, die Geldpolitik noch weiter zu lockern. Als überzeugte Keynesianerin dürfte Yellen durchaus Sympathie für staatliche Konjunkturprogramme hegen.

Dabei ist es der hydraulische Hebel-Keynesianismus gewesen, der Amerika in den vergangenen Jahrzehnten von einer Krise in die nächste hat taumeln lassen. In dem Bemühen, konjunkturelle Schwankungen zu glätten und Rezession zu vermeiden sind Geld- und Finanzpolitik immer wieder in hektischen Aktionismus verfallen, dessen Rettungsversprechen sich im Nachhinein als Saat für die nächste Krise entpuppte. 

Amerika braucht keine neuen Konjunkturprogramme 

Daher wäre es falsch, der Corona-Krise nun durch weitere Konjunkturprogramme zu Leibe zu rücken, wie es Vertretern aus dem linken Lager der Demokraten vorschwebt. So ist die US-Wirtschaft im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um annualisiert 33 Prozent gewachsen. Damit hat sie einen großen Teil des Corona-bedingten Absturzes aus dem zweiten Quartal wieder wett gemacht. Zudem gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Corona-Infektionswelle, die derzeit über die USA hinwegfegt, die Wirtschaft zum Erliegen bringt. Im Gegenteil. Der wöchentlich von der New Yorker Fed berechnete Indikator der wirtschaftlichen Aktivität zeigt seit Monaten nach oben - trotz oder gerade wegen des Verzichts auf einen landesweiten Lockdown. 

Die Erfahrungen zeigen: Konjunkturprogramme werden von den Bürgern als vorübergehende Finanzspritzen betrachtet. Das Geld, das sie ihnen ins Portemonnaie spülen, wandert zum größten Teil aufs Sparkonto. Statt fragwürdige Konjunkturprogramme auf den Weg zu bringen, solle sich der Staat auf Nothilfen für „Bürger und Unternehmen konzentrieren, die durch die Coronakrise in Not geraten sind“, empfiehlt der renommierte US-Ökonom John Taylor von der Stanford Universität. 


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Dazu kommt, dass Konjunkturprogramme die Staatsschulden weiter in die Höhe treiben. Um nicht in die Schuldenspirale zu geraten, bliebe der Staat auf Niedrigzinsen angewiesen. Die Notenbank sähe sich mithin gezwungen, die Zinsen dauerhaft niedrig zu halten. Spätestens wenn die Inflation ins Laufen kommt, käme es jedoch zum Schwur. Entweder hebt die Fed die Zinsen dann kräftig an, um die Inflation zu bekämpfen und riskiert eine Staatsschuldenkrise. Oder sie lässt die Inflation laufen. Dann ginge das Vertrauen von Bürgern und Anlegern in den Dollar und das gesamte Geldsystem verloren. Eine klassische Dilemmasituation.

Der Ausweg aus der fiskalischen Dominanz 

Janet Yellen (und der über den Staatshaushalt mitbestimmende amerikanische Kongress) haben es in der Hand, welchen Weg die US-Wirtschaft, die Staatsfinanzen, der Dollar und die Inflation nehmen. In ihrer Rolle als Finanzministerin wird Yellen wichtiger für die US-Wirtschaft sein als sie es in ihrer Funktion als Notenbankchefin jemals war. Yellen ist zwar Keynesianerin, aber sie ist kein Hasardeur, keine Anhängerin einer „modernen Geldtheorie“, die in der schrankenlosen Ausweitung der Staatsaktivitäten, finanziert durch die Notenpresse, das wirtschaftliche Heil sieht. Insofern bleibt die Hoffnung, dass Amerika unter einer Finanzministerin Yellen keine makropolitischen Großexperimente in der Geld- und Fiskalpolitik ins Haus stehen. 

Doch um die US-Wirtschaft und mit ihr die Weltwirtschaft wieder in ruhigeres Fahrwasser und auf einen soliden Wachstumspfad zu bringen, muss Yellen mehr tun als auf Großexperimente zu verzichten. Sie muss – entgegen ihrem keynesianischen Paradigma – bei den Staatsausgaben den Rotstift ansetzen, auf Konjunkturprogramme verzichten und die durch die demografische Entwicklung absehbare Ausgabendynamik bei den Sozialleistungen bremsen. Denn nur wenn die Schuldenquote sinkt, kann sich die Notenbank aus der fiskalischen Dominanz befreien. Und nur dann kann sie die Geldpolitik normalisieren und aufkommende Inflationsgefahren rechtzeitig bekämpfen.

Mehr zum Thema: Die Steuersenkungen und Deregulierungen der Trump-Regierung haben Amerikas Wirtschaft Rückenwind verliehen, sagt der US-Ökonom John B. Taylor.

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